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Prävention und Inklusion

Das letzte Stück Sicherheit

Feuerwehrmänner in voller Schutzausrüstung
Foto: FUK Brandenburg

In den vergangenen Jahren haben sich die Feuerwehren der Inklusion als gesamtgesellschaftliche Aufgabe gestellt und ihre Reihen für Menschen mit Behinderung geöffnet. So entzündete unlängst Feuerwehrmann Helmut Wiggisser, nach einem Unfall im Einsatz querschnittsgelähmt, das olympische Feuer der CTIF-Wettkämpfe im österreichischen Villach. An den internationalen Sportwettkämpfen nahmen 2.900 Feuerwehrleute aus 27 Nationen teil.
Die Inklusion ist bei vielen Freiwilligen Feuerwehren angekommen. In der Praxis werden die Menschen mit einer Beeinträchtigung ihrer Eignung und Leistungsfähigkeit entsprechend eingesetzt. Natürlich zieht diese neue Situation auch Fragen nach sich, wenn es um die Persönliche Schutzausrüstung (PSA) geht. Die PSA ist das letzte Stück Sicherheit, auf das sich Einsatzkräfte der Feuerwehr verlassen können müssen.

Hinzu kommt, dass sich die Zeiten geändert haben. Den einheitlichen Schutzhelm der Marke „Passt“, oder die Schutzhandschuhe aus dem Baumarkt, das Dutzend für sechs Euro, darf es schon lange nicht mehr geben. Bei den Freiwilligen Feuerwehren und den Berufsfeuerwehren muss die PSA nach dem aktuellen Stand der Technik beschafft werden. Stellt sich die Frage: Wer trägt eigentlich die Kosten der PSA? Und wer steht in der Pflicht, wenn die PSA wegen einer vorliegenden Behinderung beim Träger bzw. der Trägerin zusätzlich angepasst werden muss?

Speziell angepasste Schutzausrüstung

„Ich habe bei einem Unfall zwei Finger der rechten Hand verloren, meine Schutzhandschuhe haben jedoch fünf Finger. Dies ist im Einsatz für mich eher hinderlich. Gibt es spezielle Handschuhe oder kann ich mir selbst welche nähen lassen?“, so lautet beispielsweise eine der Anfragen an die FUK, die in letzter Zeit häufiger gestellt werden. Die Beantwortung dieser Frage ist nicht einfach, da jeder Fall einzeln betrachtet und bewertet werden muss. Ob sich für die Betroffenen eine passende PSA finden lässt, hängt von der Art der Behinderung und der vorgesehenen Verwendung im Feuerwehrdienst ab. Weiter sind bestehende Normen, Unfallverhütungsvorschriften, deutsche Gesetze und europäische Richtlinien zu beachten. Eine Entscheidung „aus der Hüfte geschossen“ ist nicht möglich.

Wer entscheidet?

Die Gemeinde ist als Träger der Feuerwehr nach den Brandschutzgesetzen der Länder verpflichtet, eine leistungsfähige Feuerwehr vorzuhalten. Versicherungsrechtlich ist die Gemeinde als Unternehmer der Adressat der einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften und –regeln sowie des staatlichen Arbeitsschutzrechtes. In der Praxis bedient sich die Bürgermeisterin bzw. der Bürgermeister in der Regel des Sachverstandes der Feuerwehrführung.

Gefährdungsbeurteilung im Mittelpunkt

Die Wahl der richtigen PSA setzt eine Abschätzung der zu erwartenden Gefahren und Risiken für die Einsatzkräfte voraus. Der Gefährdungsbeurteilung für die Feuerwehr kommt also eine zentrale Rolle zu, wenn es um die Sicherheit geht. Deshalb kann diese Aufgabe nur im Zusammenspiel zwischen Verwaltung und Feuerwehr in Teamarbeit erfolgen, damit alle Beteiligten ihrer Verantwortung gerecht werden. Die Gemeinde ist verantwortlich für die Leistungsfähigkeit der Feuerwehr und für die Bereitstellung der Schutzausrüstung nach § 2 der PSA-Benutzerverordnung sowie § 12 der UVV „Feuerwehren“. Danach ist den Feuerwehrleuten eine geeignete und auf die Gefährdungen des Feuerwehrdienstes abgestimmte PSA zur Verfügung zu stellen. Die Gemeinde tritt gegenüber dem Fachhandel und der Industrie als Beschaffer auf. Sie hat die Hersteller und Lieferanten darauf hinzuweisen, welche Unfallverhütungsvorschriften, Schutzziele und Leistungsstufen bei der PSA für die Feuerwehr zu beachten sind. Für die organisatorische und fachliche Einsatzbereitschaft der Feuerwehr trägt die Wehrführung die Verantwortung. Sie hat beispielsweise sicherzustellen, dass mit der PSA auch die entsprechende Benutzungsinformation an die Feuerwehrfrauen und –männer ausgegeben wird. In ihr werden u.a. die Belastungsgrenzen der PSA dargestellt und z.B. erläutert, welche Maßnahmen erforderlich sind, um die Schutzeigenschaften zu erhalten.

Personendummys mit vielfältigen Schutzausrüstungen
Bei der Feuerwehr kommt verschiedene PSA zum Einsatz. | Foto: Christian Heinz

Grundlage der Gefährdungsbeurteilung

Grundlage für die Art und den Umfang der Gefährdungsbeurteilung sind die örtlichen Risikoanalysen, Feuerwehrbedarfspläne, Unfallverhütungsvorschriften und –regeln der zuständigen Feuerwehr- Unfallkassen, EN-Normen, Sicherheitsregeln der DGUV sowie Informationsschriften. In der Feuerwehrbedarfsplanung werden schon einmal wesentliche Bestandteile für eine leistungsfähige Feuerwehr – wie sie in den Brandschutzgesetzen der Länder gefordert wird – zusammengetragen. Dies gilt auch für die notwendige Mannschaftsstärke der Feuerwehr und die zu besetzenden Sonderfunktionen wie Atemschutzgeräteträger, Höhenretter oder Feuerwehrtaucher.

In der Feuerwehr mit Handicap

Die Freiwilligen Feuerwehren sind ein Spiegelbild der Gesellschaft. An ihr gehen die negativen Folgen der demografischen Entwicklung auch nicht vorbei. Die jungen Einsatzkräfte werden immer weniger und die alten immer älter. Das Hinaufsetzen der Altersgrenze für Einsatzkräfte ist auch keine Lösung, sondern verschafft den Gemeinden nur temporäre Linderung. Fest steht eins: Mit zunehmendem Alter treten immer mehr körperliche Einschränkungen auf. Gegebenenfalls müssen diese mit angepasster PSA ausgeglichen werden.

Körperliche Eignung

Eine leistungsfähige Feuerwehr setzt auch leistungsfähige Einsatzkräfte voraus. Diejenigen, die die Löschfahrzeuge besetzen, müssen für den Feuerwehrdienst physisch und psychisch geeignet sein. Zumindest müssen sie für die Funktion, die ihnen zugewiesen wurde, geeignet sein. Bei den Atemschutzgeräteträgern und Tauchern beispielsweise ist die Sachlage eindeutig: Deren Eignung ist durch ärztliche Untersuchungen regelmäßig nach den berufsgenossenschaftlichen Grundsätzen festzustellen. Ob die Eignung bei den übrigen Feuerwehrangehörigen vorliegt, muss im Zweifelsfall ein Arbeitsmediziner oder ein mit den Aufgaben der Feuerwehr vertrauter Arzt beantworten und bescheinigen. Er kann sich dabei der „Entscheidungshilfe“ der HFUK Nord bedienen (www.hfuknord.de; Webcode: ESHI), siehe auch Artikel auf Seite 2 dieser Ausgabe des FUK-Dialogs.

Wer trägt die Kosten?

Um es vorweg zu nehmen: Die Stadt bzw. Gemeinde als Träger der Feuerwehr und Unternehmer im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung hat die Kosten der PSA für alle Feuerwehrangehörigen vollständig zu übernehmen. Dies ist gesetzlich geregelt (BGB, ArbSchG), in den Unfallverhütungsvorschriften festgelegt (u. a. DGUV-Vorschrift 1) und auch mehrfach höchstrichterlich entschieden (siehe BAG 5 AZR 493/80 vom 18.08.1982). Hinsichtlich der Geltung der staatlichen Arbeitsschutzvorschriften gibt es für die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren eine Besonderheit: Sie zählen nicht zu den „Arbeitnehmern bei der Arbeit“ (Beschäftigte), sind aber dennoch „Versicherte“. Für diese Personengruppe hat der Unternehmer „gleichwertige Maßnahmen“ zur Unfallverhütung wie für Arbeitnehmer, Beamte oder Richter zu treffen.

Was ist das Schutzziel der PSA?

Ziel ist und bleibt die für die Einsatzaufgaben und die Benutzenden maßgeschneiderte PSA. Den hohen Stellenwert der PSA erkennt man bereits in der Unfallverhütungsvorschrift (UVV) „Grundsätze der Prävention“ (DGUV-Vorschrift 1). Dort werden dem Thema drei Paragraphen gewidmet, die sich hauptsächlich an den Beschaffer der PSA, also die Gemeinde als Träger der Feuerwehr, richten. Allerdings dürfen Bürgermeisterinnen oder Bürgermeister bzw. ihre Beauftragten nicht einfach einige Jacken, Hosen, Helme, Stiefel und Handschuhe kaufen und auf die Fahrzeuge verteilen. Wie in jedem anderen Betrieb müssen die Feuerwehrangehörigen vor der Beschaffung der PSA angehört werden und mit geeigneter Persönlicher Schutzausrüstung in ausreichender Zahl ausgestattet werden. Persönlich bedeutet, dass die PSA auf die Benutzer angepasst, also weder zu klein noch zu groß, ist. Sie muss unbedingt auf die zu erwartenden Gefahren ausgelegt sein.

Sicher ist sicher

In den Feuerwehren wird überwiegend PSA der Kategorie III benutzt. Diese PSA soll Schutz vor tödlichen Gefahren oder bleibenden Gesundheitsschäden gewährleisten. Daher wird diese PSA nicht einfach beschafft, sondern den Feuerwehrangehörigen mit einer Benutzungsinformation ausgehändigt. Dessen Inhalt ist im Rahmen von Unterweisungen und Übungen zu vermitteln. Diese Vorgehensweise ist besonders wichtig, da die Grenzen der Schutzwirkung bekannt sein müssen und nicht im Einsatz ausgetestet werden können. Die Überschreitung der Leistungsfähigkeit der PSA kann für die Nutzenden schnell zu schwersten Verletzungen führen.

Benutzerinformation: Beispiel Feuerwehrhelm

Wer braucht schon eine Benutzungsinformation für einen Feuerwehrhelm? Wenn er passt, ist doch gut...? Weit gefehlt. Jeder PSA ist eine Benutzerinformation beigefügt. Die Benutzerinformation dient dazu, alle Funktionen und den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Produktes darzustellen, um dem Benutzer eine vollständige, sichere und effektive Produktnutzung zu ermöglichen. So erfährt die Einsatzkraft, aus welchem Material der Helm gefertigt wurde und bis zu welcher Höchsttemperatur er belastet werden darf. Der Helm darf nicht elektrisch leitfähig sein und die Form der Helmschale darf nicht verändert werden (Anbauteile). Zum Schluss wird noch auf die Benutzungsdauer und auf besondere Gründe für die Aussonderung (z.B. extreme thermische Beaufschlagung) hingewiesen.

CE-Zeichen: Nachweis der Hersteller

Logo CE-Kennzeichnung
Logo-Quelle: Wikipedia

Die PSA-Verordnung und auch die UVV „Grundsätze der Prävention“ fordern, dass bereitgestellte Schutzausrüstungen mit einer EG-Konformitätserklärung versehen sein müssen. Die Hersteller müssen nachweisen, dass die PSA gemäß den anwendbaren grundlegenden Gesundheitsschutz- und Sicherheitsanforderungen der PSA-Verordnung hergestellt wurden. Ein Baumuster wird durch eine anerkannte Prüfstelle auf Einhaltung der europäischen Richtlinien geprüft. Erst wenn diese Prüfung positiv ausfällt, darf die PSA mit dem CE-Zeichen versehen werden.

Prüfung der PSA (Persönliche Schutzausrüstung)
PSA wird geprüft. | Foto: Lutz Kettenbeil

Schutzhandschuh mit drei Fingern?

Die an die FUK gerichtete Frage nach Anfertigung eines speziellen Handschuhs kann – unter Einhaltung der Vorschriften – positiv beantwortet werden. Allerdings sollte die Modifizierung der PSA durch einen Hersteller erfolgen, der auch regulär Schutzhandschuhe für die Feuerwehr fertigt. Die Norm fordert keinen Fünf-Finger- Schutzhandschuh, weder in der DIN EN 695 „Feuerwehrschutzhandschuhe“ noch in der DIN EN 420 „Schutzhandschuhe“. Für Sonderanfertigungen muss der Hersteller jedoch klare Aussagen in der Gebrauchsanleitung zum vorgesehenen Verwendungszweck (Benutzungsinformation) machen. Diese Verfahren könnten gleichermaßen für Feuerwehrsicherheitsstiefel oder Feuerwehrhelme angewendet werden. Dabei ist stets darauf zu achten, dass die vorgeschriebenen Schutzstandards eingehalten werden.

Ansicht

Manfred Gerdes, Vorsitzender des Vorstandes der FUK Brandenburg

Manfred Gerdes, Vorsitzender des Vorstandes der FUK Brandenburg | Foto: FUK Brandenburg

Sicherheit nicht zum Nulltarif

Wer sich freiwillig und ehrenamtlich für den Dienst in der Freiwilligen Feuerwehr zur Verfügung stellt, hat selbstverständlich Anspruch auf einen umfassenden Schutz durch die Allgemeinheit. Jede Diskussion hierüber schließt sich von vornherein aus. Dennoch gibt es immer wieder Kritik über die Finanzmittel, die Jahr für Jahr für die Feuerwehren bereitgestellt werden. Tatsächlich gibt es Sicherheit nicht zum Nulltarif. Und wenn die Bürgerinnen und Bürger gern ruhig schlafen wollen, müssen sie schon ihren Beitrag leisten. Das passiert über die Steuern und Beiträge zur Feuerversicherung. 

Erfreulich ist, dass sich die Freiwillige Feuerwehr als Massenorganisation seit Jahren auch der gesellschaftlichen Aufgabe der Inklusion stellt (siehe auch Ausgabe September 2011 des FUK Dialogs). Nicht nur Ausländern und Migranten, sondern auch Menschen mit einem gesundheitlichen Handicap steht der Weg in die Feuerwehr offen. Selbstverständlich müssen die persönlichen Stärken und Schwächen in einer Gefährdungsanalyse ermittelt werden. So kann es schon mal vorkommen, dass Teile der Persönlichen Schutzausrüstung verändert oder extra angefertigt werden müssen. Das kostet zwar zusätzlich, ist aber auch ein Gewinn für die Gemeinde. Wer helfen will, muss helfen können!

Interview mit Jürgen Kalweit, Leitende Aufsichtsperson der HFUK Nord

Jürgen Kalweit, Leitende Aufsichtsperson der HFUK Nord

Jürgen Kalweit, Leitende Aufsichtsperson der HFUK Nord | Foto: Lutz Kettenbeil

FUK-DIALOG: Herr Kalweit, Sie sind Leitende Aufsichtsperson der HFUK Nord in Kiel und in der Freiwilligen Feuerwehr seit über 40 Jahren aktiv. Wenn man sich die Kosten für die Schutzausrüstung der Feuerwehrleute ansieht, muss man unweigerlich ins Grübeln kommen. Provokativ gefragt: Sind 70 bis 100 Euro für ein Paar Handschuhe nicht vollkommen überzogen?

Jürgen Kalweit: Natürlich gibt es im Baumarkt Schutzhandschuhe zum Preis von zwei Euro. Allerdings für die Gartenarbeit. Im Arbeitsschutz gilt der Feuerwehrdienst per se als „gefährliche Tätigkeit“. Hierin liegt der Unterschied. Alles was wertvoll ist, müssen wir gut schützen. Und die Hände sind ebenso wertvoll wie der Kopf oder die Füße. Wo sollte man sparen?

FUK-DIALOG: Viele Freiwillige Feuerwehren verfügen über eine enorme Mannschaftsstärke, werden jedoch relativ selten zu Einsätzen gerufen. Könnte man hier nicht sparen?

Jürgen Kalweit: Das ehrenamtliche Engagement in der Feuerwehr ist ein gesellschaftlicher Wert an sich. Das Einsatzgeschehen hat sich gewandelt. Die Gefahren bei Bränden oder Verkehrsunfällen sind andere geworden. Mal passiert in einer Gemeinde fast gar nichts, Monate später ist die Hölle los. Hinzu kommen der regelmäßige Übungsdienst und die Verpflichtung zur nachbarschaftlichen Löschhilfe. Die Persönliche Schutzausrüstung muss schon aus feuerwehrtaktischen Gründen einen einheitlichen Standard haben. Eine leistungsfähige Feuerwehr muss auch gut geschützt sein.

FUK-DIALOG: Auch wenn die Schutzausrüstung okay ist, sind denn die Einsatzkräfte – wie gefordert – immer leistungsfähig?

Jürgen Kalweit: Sicherlich nicht immer und sicherlich nicht überall. Deshalb werden in den Freiwilligen Feuerwehren einzelne Funktionen auch mehrfach besetzt. Der verantwortliche Einsatzleiter kann auswählen, wenn er den gesundheitlichen Status seiner Mannschaft kennt. Hier besteht aus unserer Sicht noch Nachholbedarf. Auch Feuerwehrleute haben ein verbrieftes Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit.

FUK-DIALOG: Vielen Dank für Ihre Stellungnahme.