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Einsatzbereit unter allen Umständen

Die Psyche im Blick

Mundschutz
Bild: Christian Heinz / HFUK Nord

Gerade in Zeiten, in denen neben allen Anforderungen des Alltags die Corona-Pandemielage die Menschen beschäftigt, sind die Feuerwehren ein fester Anker der Gesellschaft. Sie halten unter allen Umständen die Einsatzbereitschaft aufrecht und sorgen flächendeckend für Sicherheit. Dies geschieht vor allem im ländlichen Raum durch freiwillige Feuerwehrleute. Es ist ihr Ehrenamt, Feuerwehrdienst für die Gesellschaft zu leisten.

Die Menschen, die hinter dem System stehen und es aufrechterhalten, bedürfen einer besonderen Aufmerksamkeit. Sie sind eine besondere Spezies, deren Gesundheitsschutz eine hohe Priorität haben muss - denn an die Feuerwehrleute werden hohe körperliche und psychische Anforderungen gestellt. Dabei ist es egal, ob sie ihren Dienst in einer Großstadt oder in einer kleinen Gemeinde verrichten. Für die Gesundheit kann im Bereich der psychosozialen Prävention viel getan werden. Wir nehmen das Thema deshalb in den Blickpunkt dieses Heftes.

Psyche: Außergewöhnliche Belastung nicht ausgeschlossen

Denkt man an Anforderungen im Feuerwehrdienst, denkt man an die physische und psychische Belastung, die bei Einsätzen und Übungen auftreten kann. Einsatzkräfte sollten sich darüber im Klaren sein, dass diese Anforderungen weit über die Belastungen des Alltagslebens hinausgehen können. Eine außergewöhnliche psychische Belastung kann z.B. in Form eines traumatischen Ereignisses, insbesondere im Einsatzdienst, nicht ausgeschlossen werden.

Offensive Psychische Gesundheit gestartet

Die Bundesregierung hat ebenfalls Handlungsbedarf erkannt: Im Oktober 2020 ist ein bisher einmaliges Bündnis in Deutschland an den Start gegangen: die Offensive Psychische Gesundheit.

Ihr Ziel: gemeinsam die psychische Gesundheit in allen Bereichen der Gesellschaft zu stärken. Initiiert von Bundesarbeitsministerium, Gesundheitsministerium und Sozialministerium gehören neben Unfallversicherungsträgern wie den Feuerwehr-Unfallkassen, Krankenkassen, Rentenversicherung, Bundesagentur für Arbeit, berufsständische Verbände sowie Bündnisse und Betroffeneneinrichtungen im Bereich psychische Gesundheit zu den Partnern der Offensive.

Die Aktion soll einen Beitrag leisten, den offenen Umgang mit psychischen Belastungen zu fördern – und zwar in allen Lebenswelten, d.h. im Beruf, in Schule und Studium, im Ruhestand, im Verein genauso wie in der Familie und im Freundeskreis.

Die Offensive soll dabei helfen, dass sich Träger und Erbringer von Präventionsleistungen und -hilfen noch stärker vernetzen und ihre Angebote enger verzahnen und abstimmen. Und sie möchte dazu beitragen, dass die Menschen eine bessere Übersicht der Unterstützungs- und Hilfsangebote erhalten und diese leichter finden und nutzen können.

Die Feuerwehr-Unfallkassen, die sich seit vielen Jahren im Themenfeld der psychischen Gesunderhaltung von Feuerwehrangehörigen intensiv engagieren, sind mit ihren Präventionsaktivitäten in diesem Bereich bestens aufgestellt.

Unternehmer*in in der Pflicht

Die Feuerwehr-Unfallkassen sind für Präventionsmaßnahmen zuständig – doch wer trägt eigentlich die Verantwortung für die Gesunderhaltung der Feuerwehrangehörigen?

Nach der DGUV Vorschrift 1 – Unfallverhütungsvorschrift (UVV) „Grundsätze der Prävention“ bzw. dem Arbeitsschutzgesetz obliegt den Städten und Gemeinden als Unternehmer*in die Verantwortung für Sicherheit und Gesundheit der Einsatzkräfte der Feuerwehren (dazu zählen sowohl Beschäftigte als auch ehrenamtlich tätige Personen). Dies beinhaltet auch, arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren vorzubeugen, die sich aus Einsätzen mit außergewöhnlichen psychischen Belastungsfaktoren ergeben können.

Die DGUV Vorschrift 49 – UVV „Feuerwehren“ wird hier noch viel eindeutiger: Die grundsätzliche Verantwortung der Stadt bzw. Gemeinde für den Gesundheitsschutz regelt § 3.

Neben der Gefährdungsbeurteilung (§ 4) besteht gemäß § 8 der UVV die Pflicht zur Unterweisung der Versicherten. Hierbei sind auch die psychischen Belastungsfaktoren im Feuerwehrdienst zu berücksichtigen.

Vorbereitung ist Prävention

Die Gefahren im Feuerwehrdienst sind vielseitig. Das nötige Wissen darüber wird bereits in der Feuerwehr-Grundausbildung vermittelt. Der Stand der Technik bietet mittlerweile gute Möglichkeiten zum Schutz von Einsatzkräften. Deutlich wird dies z.B. an der Schutzkleidung heute und den Entwicklungsschritten in den vergangenen 25 Jahren.

Doch wie sieht es mit den Risiken und Gefahren der psychischen Belastung aus?

Grundsätzlich muss die Thematik aus der Fürsorgepflicht der Unternehmerin bzw. des Unternehmers betrachtet werden. Hierzu zählt beispielsweise neben der Organisation der psychologischen Erstbetreuung, auch die vollständige Dokumentation einer außergewöhnlichen psychischen Belastung.

Vorbereitung ist alles. Auch die psychische Belastung muss in Ausbildung und Übung in der Feuerwehr thematisiert werden. Um für belastende Ereignisse gewappnet zu sein, gehört es dazu, sich im Vorfeld mit den möglichen Reaktionen seines Körpers bei einer außergewöhnlichen psychischen Belastung auseinander zu setzen. Mögliche auftretende Symptome sollten dabei rechtzeitig erkannt und richtig eingeordnet werden. Gegebenenfalls muss entsprechende Hilfe angefordert und angenommen werden.

Eine ausführliche Nachbesprechung ist wichtiger Bestandteil der PSNV., Bild: Martin Schulze

PSNV-E für die Einsatzkräfte

Die Vorsorgestrukturen in den einzelnen Ländern sind verschiedenartig aufgebaut, siehe unsere „Ansicht“. Für die Betroffenen eines Unglücks sorgt die PSNV-B (Psychosoziale Notfallversorgung Betroffene), für die Einsatzkräfte die PSNV-E. Während die PSNV-B unmittelbar an der Einsatzstelle tätig wird und die Einsatzkräfte unmittelbar entlastet, weil sie sich der Betroffenen annimmt, kommt die PSNV-E während bzw. vorwiegend nach belastenden Einsätzen zum Tragen, wenn es um die Nachbereitung des Erlebten geht.

Unterweisungshilfe für die Freiwilligen Feuerwehren veröffentlicht

Eine Unterweisung über psychische Belastungsfaktoren und den Umgang damit ist ein wichtiger Baustein der Prävention zum Schutz vor Risiken und Fehlbeanspruchungen im Feuerwehrdienst.

HFUK Nord, FUK Mitte und FUK Brandenburg haben zur Vorbereitung auf die psychische Belastung im Feuerwehrdienst und für die Durchführung einer Unterweisung eine praktische Arbeitshilfe veröffentlicht.

Diese besteht aus einer Broschüre und einem digitalen Foliensatz. Mit beiden Hilfsmitteln lässt sich eine Unterrichtseinheit durchführen. Beide Materialien sind eng aufeinander abgestimmt. Zudem enthält die Broschüre Materialien für die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen im Feuerwehrdienst.

In der mit der Arbeitshilfe durchgeführten Unterweisung sollen die Grundlagen im Zusammenhang mit möglichen belastenden Ereignissen angesprochen, die möglichen Folgen und deren Verarbeitungsmöglichkeiten aufgezeigt und die Hilfen im Umgang mit belastenden Ereignissen vorgestellt werden.

Im Rahmen einer Unterweisung sollte auch besprochen werden, wie die Möglichkeiten, die die PSNV-E bietet, im Vorfeld informatorisch informatorisch genutzt werden können. Sich mit den Strukturen im eigenen Land bzw. Landkreis vorab vertraut zu machen, hilft im Ernstfall. Dann kennt man idealerweise bereits die Ansprechpersonen und die Arbeitsweise und kann sich als Feuerwehr leichter darauf einlassen.

Die Materialien der Unterweisungshilfe (Broschüre und Foliensatz) stehen zum Herunterladen bereit (www.hfuk-nord.de, Webcode: UHPB).

Die Broschüre ist in begrenzter Anzahl in gedruckter Fassung verfügbar. Bitte wenden Sie sich an die zuständige Geschäftsstelle Ihrer Feuerwehr-Unfallkasse.

Gefährdungsbeurteilung: Grundlagen inklusive

Mit den in der Arbeitshilfe enthaltenen Grundlagen für eine Gefährdungsbeurteilung kann geprüft werden, ob in der eigenen Feuerwehr die psychischen Belastungsfaktoren ausreichend berücksichtigt werden und die Psychosoziale Notfallversorgung eingebunden ist.

Die Broschüre enthält zudem die Vorlage für einen Aushang zur allgemeinen Information in der Feuerwehr. Hier können die Kontaktdaten der Ansprechpersonen für die Hilfe nach belastenden Ereignissen eingetragen und im Feuerwehrhaus für jeden sichtbar ausgehangen werden.

Ansicht

Heiko Fischer, Landeszentralstelle Psychosoziale Notfallversorgung Mecklenburg-Vorpommern, Greifswald, Bild: Heiko Fischer

Heiko Fischer, Landeszentralstelle Psychosoziale Notfallversorgung Mecklenburg-Vorpommern, Greifswald, Bild: Heiko Fischer

Funktionierende Strukturen schaffen Gesundheit

Die psychische Gesundheit der Feuerwehreinsatzkräfte muss erhalten und gestärkt werden. Die Psychosoziale Notfallversorgung ist dafür ein wichtiger Baustein. Wer Belastendes im Feuerwehrdienst erlebt hat, für den müssen Hilfsangebote sowie auch primäre Prävention als Fortbildung seitens PSNV-E schnell greifbar und wirksam sein.

Damit das funktioniert, bedarf es arbeitsfähiger, nachhaltiger Strukturen, die wir in Mecklenburg-Vorpommern auch mit Hilfe einer koordinierenden Landeszentralstelle geschaffen haben. Dafür ziehen viele Akteure an einem Strang, vorhandene Ressourcen werden gebündelt. Und die Unterstützung durch unsere Feuerwehr-Unfallkasse, vor allem bei der Qualifizierung, ist selbstverständlich.

In den vergangenen Jahren haben unsere landesweit aufgestellten Strukturen immer wieder unter Beweis gestellt, dass das System der Hilfe für Helfer flächendeckend funktioniert. In den Köpfen muss das Thema dennoch weiter Einzug halten. Führungskräfte und Mannschaften müssen für unsere Angebote weiter sensibilisiert werden, damit sie diese auch nutzen und den Nutzen für ihre psychische Gesunderhaltung daraus ziehen. Das SbETeam Mecklenburg-Vorpommern und ich stehen bereit.

Strukturierte Nachbereitung

Eine gut organisierte und strukturierte Einsatznachbereitung ist ein wichtiges Mittel zur Qualitätssicherung der Arbeit der Feuerwehr. Und sie hilft vor allem dabei, wesentliche Punkte, die den Zustand der Einsatzkräfte nach einem Einsatz betreffen, nicht zu übersehen.

Neben der technischen Nachbereitung (Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft) muss die Aufmerksamkeit der Führungskräfte vor allem darauf liegen, dass alle den Einsatz unbeschadet überstanden haben und eventuelle Ereignisse oder Gesundheitsschäden dokumentiert werden (Erste-Hilfe-Nachweis, Unfallanzeige, gegebenenfalls Expositionsverzeichnis).

Bedürfnisse einer Nachsorge sind besonders zu berücksichtigen – vom Gruppen- oder Einzelgespräch zur Nachbereitung bis zur Hinzuziehung von Strukturen wie der PSNV-B, die eine Nachbereitung belastender Ereignisse professionell durchführen.

Taschenkarte: Damit auch nichts vergessen wird

Der Clou ist: Damit die wichtigsten Elemente der Einsatznachbereitung beachtet werden, haben HFUK Nord, FUK Mitte und FUK Brandenburg ein kompaktes Hilfsmittel für Führungskräfte entwickelt, die „Taschenkarte zur Einsatznachbereitung“. Die Taschenkarte benennt wie eine Art Checkliste wesentliche Punkte, an die nach einem Einsatz gedacht werden muss. Sie besteht aus reißfestem und strapazierfähigem Papier und passt im Format DIN A6 in die Tasche der Dienst- bzw. Einsatzkleidung. Damit ist sie bei Bedarf schnell zur Hand.

Die praktische Checkliste zur Einsatznachbereitung passt in jede Tasche der Einsatzkleidung., Bild: Christian Heinz / HFUK Nord

Die Taschenkarte ist natürlich kostenlos und bei Ihrer zuständigen Feuerwehr-Unfallkasse erhältlich. Die Kontaktdaten Ihrer Feuerwehr-Unfallkasse finden Sie auf der jeweiligen Website:

HFUK Nord: www.hfuk-nord.de
FUK Mitte: www.fuk-mitte.de
FUK Brandenburg: www.fukbb.de

Im Falle eines Falles

Besteht infolge einer außergewöhnlichen psychischen Belastung im Dienst die Vermutung, dass eine behandlungsbedürftige psychische Störung aufgetreten ist, muss die zuständige Feuerwehr-Unfallkasse eine Unfallanzeige erhalten.

Die näheren Umstände und Zusammenhänge werden dann von der FUK ermittelt und die weiteren Schritte wie z.B. erforderliche Therapien eingeleitet.

Die Stimmung im Team muss stimmen!

Auch die Feuerwehr als Organisation und die Einsatzkräfte selbst können einen erheblichen Teil zur psychischen Gesunderhaltung sowie zur Prävention und Bewältigung psychischer Belastungen im Dienst beitragen. Man kann es ganz einfach auf den Punkt bringen: Es beginnt damit, dass die Stimmung im Team stimmt. Ein achtsamer und fairer Umgang aller Feuerwehrangehöriger miteinander ist die beste Voraussetzung, dass das Ehrenamt Freude bringt und sich Menschen in ihrer Feuerwehr gut aufgehoben fühlen.

Zwischenmenschlich kann es in jeder Organisation einmal Konflikte geben – dies ist völlig normal. Entscheidend ist, ob die Dinge dann auch offen und ehrlich angegangen werden.

Fakt ist: Dauerhafter Frust, Unfrieden und Mobbing passen nicht mit Kameradschaft zusammen und werden dazu führen, dass die Feuerwehr an Mitgliedern verliert. Eine Entwicklung, die es unbedingt zu vermeiden gilt.

Viele Landesfeuerwehrverbände und Landesfeuerwehrschulen bieten Seminare und Schulungen zu den Themen Führungsverhalten, Konfliktberatung und Streitschlichtung an.

Denkt an die Führungskräfte!

Vergessen werden dürfen keinesfalls die Führungskräfte. In einer Organisation wie einer Freiwilligen Feuerwehr lastet auf deren Schultern eine besondere Verantwortung. Wehrführungen und Führungskräfte einer größeren Ortsfeuerwehr managen quasi nebenher ein mittelständisches Unternehmen, welches Aufgaben der öffentlichen Ordnung und Sicherheit wahrnimmt.

Vor diesem Hintergrund sollte die Stadt bzw. Gemeinde als Trägerin der Feuerwehr die Führungsebene in den Blick nehmen und prüfen, wo Entlastung geschaffen werden kann. Dies kann z.B. durch die Verlagerung von Aufgaben vom Ehrenamt in das Hauptamt geschehen. Gerade im administrativen Bereich ergibt sich hierbei Spielraum bzw. liegt die Verantwortung gesetzesgemäß sowieso bei der Trägerin. Beispiele hierfür wären: Allgemeine Verwaltungsaufgaben, Inventur, Beschaffungswesen, Gefährdungsbeurteilung usw.