Sozialwahlen 2017
Gelebte Demokratie
Fast gänzlich unbemerkt ist die Sozialwahl 2017, neben den Landtags- und Bundestagswahlen, an vielen Menschen vorbeigegangen. Dabei finden diese Wahlen nur alle sechs Jahre statt und sind wichtig. Doch was in der Bundesrepublik funktioniert, gerät in Vergessenheit und hat auf der Tagesordnung von Politik und Gesellschaft einen vergleichbar geringen Stellenwert. Dabei bilden diese Wahlen das Kernstück der Demokratie in der Sozialversicherung – auch bei den Feuerwehr-Unfallkassen. Und die soziale Sicherheit ist in den Augen der Bürger eigentlich so wichtig wie nie!
Renten-, Kranken- und Unfallversicherung, die Arbeitslosenversicherung sowie die Pflegekassen geben jährlich hunderte von Milliarden Euro aus, um ein belastbares Netz der sozialen Sicherheit zu spinnen. Allein die Rentenversicherung hat bis zum August 2017 insgesamt rund 224,2 Mrd. Euro ausgegeben, die gesetzliche Unfallversicherung im gleichen Zeitraum rund 10,8 Mrd. Euro, davon immerhin 8,4 Mrd. Euro für Leistungen und 1,2 Mrd. für Daseinsvorsorge (Rücklagen). Angesichts dieser Zahlen gehen die Sozialwahlen sämtliche Bürgerinnen und Bürger in der Republik an. Zum einen geht es um die Umsetzung einer zeitgemäßen und versichertenfreundlichen Sozialpolitik durch die Versicherungsträger, zum anderen geht es um Ausgaben in dreistelliger Milliardenhöhe.
Mit den Sozialwahlen werden nicht nur die Vorstände und Vertreterversammlungen der Feuerwehr- Unfallkassen, sondern auch die der übrigen Unfallkassen und Berufsgenossenschaften sowie der Krankenkassen und der Deutschen Rentenversicherung gewählt. Die Vertreterversammlungen und Vorstände der Sozialversicherungsträger sind die Entscheidungsgremien dieser Einrichtungen. Hier wird von den gewählten Vertretern, quasi den Abgeordneten, entschieden, wie und in welchem Umfang gesetzliche Vorgaben für die Praxis umgesetzt werden. Mal gibt es starre Vorgaben des Gesetzgebers (z.B. Beitragsbemessungsgrenzen) mal gibt es Raum für eigene Entscheidungen der Versicherungsträger (z.B. Kostenübernahme bei Reha-Sport oder einigen „Individuellen Gesundheitsleistungen“ (IGeL) in der KV oder Mehrleistungen in der UV).
Prävention ist Sache der Selbstverwaltung
Aufgabe Nr. 1 der gesetzlichen Unfallversicherungsträger ist die Verhütung von Arbeitsunfällen (Prävention). Dies soll – so der Gesetzgeber – mit allen geeigneten Mitteln erfolgen. Hier kommt der Vertreterversammlung der Feuerwehr-Unfallkassen eine zentrale Rolle zu. Sie entscheidet über den Haushaltsplan und damit über die Bereitstellung entsprechender Mittel für die Prävention. Gleichzeitig setzt sie Unfallverhütungsvorschriften und Regeln in Kraft, die für Unternehmer (Gemeinden) und Versicherte (Feuerwehrangehörige) verbindlich sind. Einige Vorschriften sind sogar mit Bußgeldern bewehrt.
Mehr Leistungen
Neben den gesetzlichen Leistungen kann es in der gesetzlichen Unfallversicherung auch höhere oder ergänzende Leistungen, so genannte Mehrleistungen (§ 94 SGB VII), geben. Die Selbstverwaltung kann auch über eigenständige Leistungen entscheiden. Allerdings tun sich die Aufsichtsbehörden aus grundsätzlichen Erwägungen immer etwas schwer damit. So kann es dazu kommen, dass die Gemeinden, die letztlich eine Leistungserhöhung bezahlen sollen, zustimmen, die Aufsicht jedoch ihr Veto einlegt.
Das Erfolgsrezept der Parität
Das meist geräuschlose Funktionieren der Sozialversicherungsträger hat seinen Grund in der verordneten Parität. Alle Entscheidungsgremien und deren Ausschüsse sind paritätisch mit Vertretern der Versicherten (Feuerwehrleute) und der Gemeinden (Arbeitgeber/Kostenträger) besetzt. Generell gibt es keine Mehrheiten; auch die Stimme der oder des Vorsitzenden eines Gremiums ist für eine Entscheidung nicht ausschlaggebend. Entweder überzeugen die Fakten und Argumente oder der Tagesordnungspunkt muss später erneut beraten werden. Das war nicht immer so. Gerade in der gesetzlichen Unfallversicherung, für die ja Versicherte keine Beiträge zahlen, waren früher die Unternehmer die einzigen „Bestimmer“. Dies hat sich erst Jahrzehnte nach Einführung der gesetzlichen Unfallversicherung geändert.
Wer tritt bei den Sozialwahlen eigentlich an?
Auf der Versichertenseite, also bei den Feuerwehrangehörigen, sind dies vor allem die jeweiligen Landesfeuerwehrverbände (LFV). Sie wählen aus ihrer Mitte die Personen aus, die ihre Interessen in der Selbstverwaltung der Feuerwehr- Unfallkasse vertreten sollen. Es können sich aber auch Versicherte zu „freien Listen“ zusammenschließen und antreten. Dies ist zum Beispiel in Hamburg der Fall, weil es dort keinen Landesfeuerwehrverband gibt. Bei den Arbeitgebern (Städte und Gemeinden als Träger der Feuerwehr) sind es in erster Linie kommunalen Spitzenverbände, die Bürgermeister, Landräte und leitende Verwaltungsbeamte intern als ihre Interessensvertreter wählen und diese dann auf die Liste für die Sozialwahl setzen.
Wahlen im Verborgenen?
Mit Ausnahme der großen Kranken- und Ersatzkassen bzw. der Deutschen Rentenversicherung finden in der Regel keine echten Wahlhandlungen statt. Bei den meisten Sozialversicherungsträgern wird auf „Friedenswahlen“ gesetzt. Dies geschieht immer dann, wenn sich die Wahlbewerber für die Vertreterversammlung auf eine Vorschlagsliste einigen, oder sich auf den verschiedenen Vorschlagslisten nur so viele Kandidatinnen und Kandidaten befinden, wie es zu vergebende Mandate gibt. Dann gelten die vorgeschlagenen Bewerberinnen und Bewerber als gewählt. Diese Möglichkeit sieht das Gesetz ausdrücklich vor.
Hat sich das System bewährt?
Der reinen Lehre nach ist die praktizierte Sozialwahl keine „Urwahl“ im eigentlichen Sinn. Dies hat der Bundeswahlbeauftragte in seinem Schlussbericht zur Sozialwahl 2011 erneut festgestellt und verschiedene Modelle für die künftigen Wahlen vorgeschlagen. Erfreulicherweise haben sich die Vorschläge des Bundeswahlbeauftragten nicht durchgesetzt, weil es – zumindest bei den Feuerwehr-Unfallkassen – auch nicht zu einer echten Wahlhandlung geführt hätte, wenn nur die Versichertenseite wählt. Im übrigen wären Verwaltungsaufwand und Kosten in die Höhe geschnellt, ohne einen Demokratiegewinn zu erzielen. Auch in Zukunft können die Städte und Gemeinden als Kostenträger und auch die versicherten Feuerwehrangehörigen gut mit der bestehenden Regelung leben. Die diskutierten Veränderungen hätten keinen Demokratiezuwachs bei den Sozialwahlen erbracht. Mit ihren Leistungen befinden sich die Feuerwehr- Unfallkassen in der Spitzengruppe der gesetzlichen Unfallversicherung.
Startschuss für die nächsten sechs Jahre in Erfurt
Die konstituierenden Sitzungen der Gremien der Feuerwehr Unfallkasse Mitte fanden am 20. Oktober 2017 in Erfurt statt.
Unter der Leitung der Geschäftsführerin der FUK Mitte und gleichzeitig Vorsitzenden der Wahlkommission Iris Petzold wurden zunächst in der Vertreterversammlung in offener Abstimmung für die Arbeitgeberseite Herr Ulrich-Bernd Wolff von der Sahl und Herr Lothar Lindecke für die Seite der Versicherten als alternierende Vorsitzende einstimmig gewählt. Während Lothar Lindecke turnusgemäß den Vorsitz für die nächsten drei Jahre übernimmt, übernimmt Wolff von der Sahl seine Stellvertretung. Zur Hälfte der Legislaturperiode wechselt der Vorsitz.
Nachdem auch die Wahlen zum neuen Vorstand durchgeführt wurden, wurden Peter Ahlgrim, Vorstandsvorsitzender der Öffentlichen Versicherungen Sachsen- Anhalt (ÖSA), und Lars Oschmann, Vorsitzender des Thüringer Feuerwehrverbandes, zum Vorstandsvorsitzenden bzw. stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Auch hier findet ein turnusmäßiger Wechsel im Vorsitz nach Ablauf von drei Jahren statt.
Bereits vor Beginn der Sitzungen wurden mit Harald Hilpert, der auf der Seite der Versicherten u.a. die Feuerwehr-Unfallkasse als Delegierter bei der Mitgliederversammlung der DGUV vertrat, und Joachim Jaretzki zwei langjährige Mitglieder aus den Gremien verabschiedet. Beide setzten sich in der Vertreterversammlung stets engagiert für die soziale Absicherung der Kameradinnen und Kameraden der Freiwilligen Feuerwehren ein.
Selbstverwaltung der HFUK Nord konstituierte sich in Lübeck
Die neue Vertreterversammlung und der neue Vorstand der Hanseatischen Feuerwehr-Unfallkasse Nord haben erstmals am 30. August 2017 in Lübeck getagt und ebenfalls die Vorsitzenden der Selbstverwaltungsorgane, die Mitglieder des Vorstandes und die Mitglieder der Ausschüsse gewählt.
Im Rahmen einer Friedenswahl wählten die 18 Mitglieder der Vertreterversammlung, die sich zu je einem Drittel aus Mitgliedern der Länder Freie und Hansestadt Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein zusammensetzt, Armin Schack (Hamburg, Vertreter der Versicherten) zu ihrem Vorsitzenden und Walter Behrens (Schleswig- Holstein, Vertreter der Kostenträger) zu dessen Stellvertreter. Der Vorsitzende und sein Stellvertreter werden satzungsgemäß zur Hälfte der neuen Wahlperiode ihre Funktionen wechseln.
In der konstituierenden Sitzung des Vorstandes wurde Olaf Plambeck, Vertreter der Kostenträger und Bürgermeister der Gemeinde Flintbek, zum Vorsitzenden gewählt. Sein Stellvertreter wurde Hannes Möller, Landesbrandmeister in Mecklenburg-Vorpommern und Vertreter der Versicherten. Auch der aus 6 Mitgliedern bestehende Vorstand wird paritätisch aus den drei Ländern besetzt.
Den konstituierenden Sitzungen schloss sich auch hier die Verabschiedung von langjährigen Mitgliedern der Selbstverwaltung an.
Der ehemalige Vorsitzende der Vertreterversammlung, Hans-Jürgen Berner, sagte dazu stellvertretend für die Verabschiedeten: „Uns hat die Arbeit in Vorstand und Vertreterversammlung zum Wohle unserer Freiwilligen Feuerwehren immer viel Freude bereitet. Wir möchten an dieser Stelle auch der Belegschaft der HFUK Nord für die sehr gute und konstruktive Arbeit danken. Der neuen Selbstverwaltung wünschen wir viel Erfolg und eine glückliche Hand bei ihrem Wirken für die Feuerwehr-Unfallkasse.“ Berner überreichte danach mit einem Augenzwinkern einen Kompass an seinen Amtsnachfolger Armin Schack, damit die Hanseatische Feuerwehr-Unfallkasse Nord auch in Zukunft „auf Kurs“ gehalten wird.
Neuwahlen auch in der Feuerwehr- Unfallkasse Brandenburg
Auch die gewählten Mitglieder der Selbstverwaltung der Feuerwehr- Unfallkasse Brandenburg traten am 4. Oktober 2017 zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen. Zum Vorsitzenden der Vertreterversammlung wurde Wilhelm Garn (Arbeitgeberseite) und zum alternierenden Vorsitzenden Sven Wolfram (Versichertenseite) gewählt. Der gewählte Vorstand der FUK Brandenburg setzt sich zusammen aus Manfred Gerdes, Wolfgang Welenga für die Arbeitgeberseite sowie Marco Böttche und André Nedlin für die Versichertenseite. Manfred Gerdes übernimmt den Posten des Vorstandsvorsitzenden, während Marco Böttche sein Stellvertreter wird.
Ansicht
Dennoch demokratisch!
Alle sechs Jahre gerät die Sozialwahl als „nicht demokratisch“ in die Diskussion. Es fehle die echte Wahlhandlung, ist zu vernehmen. Dies mag sein, aus meiner Sicht nicht jedoch auf Seiten der Versicherten. „Demokratie“, so ist zu lesen, bedeutet politische Ordnungen, bei denen Macht und Regierung vom Volk ausgehen. Dieses wird, entweder unmittelbar oder durch Auswahl entschei- Lars Oschmann, Vorsitzender Thüringer Feuerwehrverband Foto: Thüringer Feuerwehrverband dungstragender Repräsentanten, an allen Entscheidungen, die die Allgemeinheit betreffen, beteiligt. In allen paritätisch besetzten Entscheidungsgremien der Feuerwehr- Unfallkassen sind die Repräsentanten der versicherten Feuerwehrangehörigen vertreten. Sie sind gleichzeitig diejenigen, die die Entscheidungen der FUK unmittelbar betreffen. Und da sitzen nicht irgendwelche Personen, sondern in freier und geheimer Wahl gewählte Repräsentanten der Freiwilligen Feuerwehren. Dieses System hat sich auf der Versichertenseite bewährt, die FUK ist damit nah am Puls der Versicherten.
Bleibt die Abwägung zwischen Kosten und Nutzen. Bei einer „Friedenswahl“ werden von den Verbänden nur so viele Kandidaten einschließlich Stellvertretungen aufgestellt, wie dies in der Satzung der FUK vorgesehen ist. Gäbe es mehrere Vorschlagslisten, müssten Listenverbindungen eingegangen oder tatsächlich mit enormem Aufwand gewählt werden. Da es nirgendwo in der Bundesrepublik ein Gesamtverzeichnis aller Feuerwehrangehörigen gibt, müsste dies erst geschaffen und ständig gepflegt werden. Dies würde Millionen kosten. Und am Ende gibt es zwei oder drei Personen in den Gremien, die einen anderen Namen tragen, aber trotzdem Feuerwehrleute sind.