Fachtagung der Feuerwehr-Unfallkassen in Hamburg
Sicherheit 4.0 oder Himmelfahrtskommando?
Krebsrisiko, Dreck, Atemschutzunfälle, Gefährdungen, psychische Belastungen, Terrorismus, Eignung, Feuerwehr 4.0: Entwickelt sich die Feuerwehr zu einer Art Himmelfahrtskommando? Die Themenauswahl für das siebte Forum „Sicherheit“ der Feuerwehr-Unfallkassen war offensichtlich ein Treffer ins Schwarze. Bereits im Juli 2017 war die Fachtagung in Hamburg mit 300 Teilnehmenden vollkommen ausgebucht. Die verschiedenen Beiträge spiegeln wichtige Themen der Gegenwart und Zukunft im Bereich der Sicherheit und Gesundheit im Feuerwehrdienst wider: Der Einsatz der Feuerwehr ist gefahrvoll und wird es auch bleiben! Zudem kommen neue Gefahren hinzu, worauf es sich vorzubereiten gilt.
Es sei wichtig, in regelmäßigen Abständen eine Standortbestimmung für die Sicherheit und Gesundheit der Feuerwehrangehörigen vorzunehmen, unterstrich die Geschäftsführerin der Feuerwehr-Unfallkasse Mitte, Iris Petzoldt, Erfurt, bei ihrer Begrüßung. Sicherheit der Einsatzkräfte gehöre immer in den Vordergrund und immer auf die Tagesordnung. Auch wenn Sicherheit viel Geld koste, müsse sie es dem Staat wert sein. Tue er dies nicht, ginge Vertrauen unweigerlich und unwiederbringlich verloren.
Feuerwehr muss weiter digitalisieren
Dirk Aschenbrenner, Direktor der Feuerwehr Dortmund, stellte den Teilnehmenden unter der Überschrift „Feuerwehr 4.0“ die Frage, welche Herausforderungen die Feuerwehren zu erwarten hätten. Damit legte Aschenbrenner bewusst einen Finger in „die Wunde“ der Feuerwehrzukunft. Wie könne die sich in allen Lebensbereichen abzeichnende Digitalisierung (Umstellung auf BOS-Digitalfunk, Industrie 4.0) in der Feuerwehr für den Brandschutz und die Gefahrenabwehr umgesetzt werden. Welche neuen Anforderungen werden auf Ausbildung und Feuerwehrführung zukommen? Anhand ausgewählter Forschungsprojekte zeigte Aschenbrenner mögliche Entwicklungen auf und benannte relevante Digitalisierungsparameter.
Atemschutzunfälle unter der Lupe
Dipl.-Ing. Jürgen Kalweit, leitende Aufsichtsperson der HFUK Nord, berichtete über die Untersuchung von Atemschutzunfällen, die gewonnenen Erkenntnisse und die Ableitungen für die Unfallverhütung. Das Unfallgeschehen der letzten Jahre erfordere weiter höchste Aufmerksamkeit. Dabei stehe nicht nur die Atemschutztechnik im Fokus der Unfallermittlungen. Vielmehr stünden auch Fragen der Ausbildung, des Trainings und des Verhaltens an der Einsatzstelle im Mittelpunkt.
Mit Laser zur Menschenrettung vor!
Löst irgendwann die Lasertechnik die hydraulischen Rettungsgeräte in der Unfallrettung ab? Dr. Stefan Kaierle vom Laser Zentrum Hannover meinte, dass mittelfristig einiges dafür spreche – auch bei den Freiwilligen Feuerwehren. Die konventionellen Rettungsmittel würden bei modernen Werkstoffen wie höchstfeste Stähle oder Kohlenfaserverbundwerkstoffen immer öfter an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit stoßen. Mit dem Verbund-Forschungsprojekt „LaserRettung“ soll die Entwicklung eines Rettungssystems erfolgen, das Einsatzkräfte in die Lage versetzt, Fahrzeugkomponenten zu durchtrennen, um den Rettungseinsatz zügig durchführen zu können. Dabei müsse aber vor allem die Lasersicherheit gegeben sein.
Studie vorgestellt
Vor gut zwei Jahren begann eine bundesweite Diskussion über besondere Belastungen von Feuerwehrangehörigen mit Gefahrstoffen. Internationale Studien verwiesen darauf, dass ein höheres Risiko für Feuerwehrleute bestünde, an bestimmten Krebsarten zu erkranken. Allerdings fehlten für Deutschland und Europa vergleichbare Studien. Dr. Dirk Träger vom Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der DGUV, Bochum, stellte den aktuellen Sachstand dar und berichtete über Untersuchungen von Feuerwehrleuten in Berlin und Hamburg. Dabei wird gemessen, ob und wie es zur Aufnahme polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoffe bei verschiedenen Einsatzszenarien kommt. Rund 200 Einsatzkräfte beteiligen sich an dem Projekt.
Seinen Vorredner ergänzend, berichtete Tim Pelzl vom Sachgebiet „Feuerwehren und Hilfeleistungsorganisationen“ der DGUV über Kontaminationsschutz und Hygienemaßnahmen im Feuerwehrdienst. Schwerpunkt seiner Ausführungen waren die „Schwarz-Weiß-Trennung“ auf der Wache bzw. im Feuerwehrhaus sowie das konsequente Wechseln der kontaminierten Einsatzschutzkleidung.
Berliner Feuerwehr zieht Lehren aus Terroranschlag Landesbranddirektor Wilfried Gräfling berichtete über Erfahrungen und Konsequenzen aus der Nachbereitung des Einsatzes nach dem Terroranschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt vor gut einem Jahr. Beteiligt waren rund 390 Kräfte der Feuerwehren und des Rettungsdienstes. Gräfling sprach von einem aus Sicht der Feuerwehr insgesamt gut verlaufenen Einsatz. Es habe eine „professionelle Ruhe“ geherrscht, zudem waren klare Führungsstrukturen und Zuständigkeiten gegeben.
Gefährdungsbeurteilung wird immer wichtiger
Auch für die Unfallverhütung im Feuerwehrdienst rückt die „Gefährdungsbeurteilung “ immer weiter in den Mittelpunkt. Langjährige Erfahrung, Sachverstand und Intuition reichen nicht mehr aus. Es bedarf einer Dokumentation der Gefährdungen im „Betrieb Feuerwehr“ mit einer gleichzeitigen Konzeption zu deren Vermeidung. Dipl.-Ing. Ingo Piehl, Aufsichtsperson der HFUK Nord, präsentierte verschiedene Arbeitshilfen und eine Online-Lösung, mit der jede Feuerwehr eine Gefährdungsbeurteilung durchführen kann. Die Online-Lösung wird ab 2018 zur Verfügung stehen.
Psychische Belastungen im Feuerwehrdienst
Die Zeiten der Fragestellung, ob es im Feuerwehrdienst zu psychischen Belastungen kommen könne, seien vorbei. Im Mittelpunkt stünden heute die Fragen der Prävention und wie betroffenen Feuerwehrfrauen und -männern professionell geholfen werden könne, führte Dipl.-Ing. Ulf Heller von der HFUK Nord aus. Hier sind nicht nur der Unfallversicherungsträger, sondern auch die Gemeinde als Träger der Feuerwehr in der (Fürsorge-)Pflicht. Auch käme den Führungskräften eine besondere Verantwortung zu.
Wie leistungsfähig sind Feuerwehrleute?
Mit einer Studie will das Institut für Prävention und Arbeitsmedizin (IPA) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), Bochum, die Frage klären, ob die gängigen Eignungsuntersuchungen in Deutschland die Anforderungen an die Feuerwehrleute in der Praxis widerspiegeln. Eike M. Marek (IPA) verwies darauf, dass es bis heute keine Forschungsarbeiten gäbe, die ein Gesamtbild der körperlichen Belastungen aufzeigen. In der Studie des IPA sollen jetzt 100 Feuerwehrleute zwischen 20 und 50 Jahren untersucht werden. Besonderes Gewicht soll dabei auf eine praxisnahe Durchführung gelegt werden.
Körperliche Eignung: Hilfen für die Praxis
Dr. Patricia Bunke, Landesfeuerwehrärztin, Mecklenburg-Vorpommern, berichtete aus der Praxis eines Flächenlandes und stellte in Frage, ob es den „durchtrainierten Universalfeuerwehrmann“ noch gibt? Einerseits werde der Feuerwehrdienst generell als „gefährliche Tätigkeit“ eingestuft, andererseits den Einsatzkräften aber keine engmaschigen gesundheitlichen Untersuchungen angeboten.
Präventionskultur in der Feuerwehr
Themenschwerpunkte des Referates von Christian Heinz, stellvertretender Geschäftsführer und Sachgebietsleiter Prävention der HFUK Nord, waren Führungskultur, Fehlerkultur und Präventionskultur in der Feuerwehr. Bei konsequenter Beachtung aller Sicherheitsvorschriften dürfte es zu keinen Unfällen im Feuerwehrdienst kommen. Dennoch zeigten die Auswertungen von Unfällen und Beinahe-Unfällen, dass tatsächlich immer noch ein Restrisiko bestünde. Aus diesem Grunde müsse der Weg hin zu einer Präventionskultur in der Feuerwehr gegangen werden.
Die neue UVV „Feuerwehren“ kommt - in Zeitlupe
Nach scheinbar endlosen Abstimmungen in den zuständigen Bundes- und Länderministerien und beim Spitzenverband der Unfallversicherungsträger soll die neue UVV Feuerwehren nach einer zeitlichen Verzögerung von gut zwei Jahren nun endlich kommen. Detlef Garz, Aufsichtsperson der FUK Mitte und Leiter des Sachgebiets „Feuerwehren und Hilfeleistungsorganisationen“ der DGUV erläuterte den Teilnehmenden die neue Vorschrift.
Die Feuerwehr-Unfallkassen zogen nach dem Ende des 7. FUK-Forum „Sicherheit“ ein positives Fazit: Die rundum gelungene Veranstaltung war wieder ein wichtiger Meilenstein der Präventionsarbeit. Dabei wurden wichtige Themen bearbeitet und neue Handlungsfelder in den Fokus genommen. 2019 – voraussichtlich wieder im Dezember – wird es das 8. FUKForum „Sicherheit“ geben.
Weitere Informationen zum 7. FUK-Forum „Sicherheit“ finden Sie auf: www.hfuk-nord.de