Schriftgröße:
A A+

Unfalluntersuchungen durch die Feuerwehr-Unfallkassen

Den Ursachen auf den Grund gehen

Bildunterschrift: Lag es an der Technik? Nach einem Unfall beim Brandeinsatz wird das Atemschutzgerät genau untersucht. | Foto: Christian Heinz
Lag es an der Technik? Nach einem Unfall beim Brandeinsatz wird das Atemschutzgerät genau untersucht. | Foto: Christian Heinz

Die Feuerwehr-Unfallkassen haben nicht nur den gesetzlichen Auftrag, Feuerwehrleute nach Unfällen zu entschädigen. Sie haben auch mit allen geeigneten Mitteln Unfallverhütung zu betreiben. Dabei sollen sie auch den Ursachen von Dienstunfällen und dienstbedingten Erkrankungen auf den Grund gehen. Nicht selten kommt es vor, dass nach einem schweren Unfall durch die Präventionsabteilung der Feuerwehr-Unfallkasse eine Unfalluntersuchung eingeleitet wird. Ziel ist es dabei nicht, Schuldige zu ermitteln und zu bestrafen. Im Gegenteil, es stehen vor allem die Fragen im Vordergrund: Wie konnte es zu dem Unfall kommen und wie kann ein solches Geschehen in Zukunft verhindert werden? Was können die Feuerwehr-Unfallkassen im Rahmen ihrer Unfallverhütungsarbeit dazu beitragen? Nichts wäre schlimmer, als wenn aus Fehlern nicht gelernt wird!

Und jetzt kommt noch die FUK…

Oftmals ist eine Feuerwehr, bei der sich ein schwerer Unfall im Dienstbetrieb ereignet hat, betroffen genug. Kameraden sind verunglückt. Viele Fragen stehen im Raum. Schäden sind zu regulieren. Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln. Und jetzt kommt auch noch die Feuerwehr-Unfallkasse und stellt unbequeme Fragen nach dem Unfallhergang, Verhalten der Beteiligten usw. Eine denkbar und nachvollziehbar schlimme Situation.

In der Praxis orientiert sich das Vorgehen der Feuerwehr-Unfallkasse an den Gegebenheiten und den Umständen des Unfalles. Während in manchen Fällen eine telefonische Befragung der Beteiligten das einfachste und schnellste Mittel ist, so wird bei schwerwiegenden Ereignissen in der Regel mindestens ein Mitarbeiter der FUK vor Ort kommen, die Unfallstelle in Augenschein nehmen und erste Angaben zu den Betroffenen einholen. Doch keine Angst: Die Mitarbeiter des Aufsichtsdienstes sind geschulte und erfahrene Kollegen, die in der Lage sind einzuschätzen, wann und in welcher Form Befragungen von beteiligten und betroffenen Feuerwehrangehörigen sinnvoll sind oder lieber noch einmal vertagt werden sollten. Gerade bei tödlichen Unfällen ist es, nach einer ersten Aufnahme der Ereignisabläufe vor Ort geboten, die Möglichkeit zu geben, das Geschehene zu verarbeiten. Dennoch ist eines obligatorisch: Bei tödlichen Unfällen oder Massenunfällen muss unverzüglich die FUK informiert werden! Gerade wenn schwere Verletzungen vorliegen, kommt es darauf an, dass die betroffenen Feuerwehrangehörigen so schnell wie möglich in ein geeignetes Unfall-Krankenhaus gelangen und die FUK die Steuerung des Heilverfahrens übernehmen kann.

Vertrauensvolle Zusammenarbeit

Die Feuerwehr-Unfallkassen arbeiten bei der Durchführung ihrer Unfalluntersuchungen mit den betroffenen Feuerwehren und Feuerwehrangehörigen vertrauensvoll zusammen. In der Regel sind alle Beteiligten sehr kooperativ und wollen alles tun, um ein Unfallgeschehen aufzuklären. Die Feuerwehren haben meist ein sehr großes Eigeninteresse daran, ein Unfallgeschehen vollständig aufzuklären. Schließlich geht es darum, aus den Ereignissen zu lernen und Unfälle zukünftig zu vermeiden. Und der FUK geht es nicht darum, jemanden als Sündenbock herauszustellen, sondern genau festzustellen, was zu einem Unfall geführt hat. Nur aus einer detaillierten Unfallanalyse kann die FUK die notwendigen Schlüsse ziehen. Diese könnten z.B. sein:

  • Gibt es Probleme mit bestimmten Teilen der Persönlichen Schutzausrüstung (PSA), die näher untersucht werden müssen?
  • Müssen PSA-Hersteller mit ins Boot geholt werden, um der Unfallursache nachzugehen?
  • Müssen durch die FUK Anordnungen getroffen werden, weil ein akutes Sicherheitsproblem z.B. an der Atemschutztechnik festgestellt wurde? Betrifft dieses Problem eventuell viele Feuerwehren, die die gleiche Technik nutzen?
  • Gibt es bei der angewandten Taktik und Technik Änderungs- oder Entwicklungsbedarf?
  • Gab es bei den taktischen Vorgehensweisen der Feuerwehr oder beim Einsatz der Gerätschaften Fehler, die z.B. einen besonderen und erhöhten Ausbildungsbedarf erfordern?
  • Wie ist der Unfall hinsichtlich der geltenden Vorschriften und Regelwerke zu beurteilen? Gibt es dort Anpassungs- oder Änderungsbedarf?

Diese Fragen müssen bei einer Unfalluntersuchung durch die FUK geklärt werden. Vor allem, wenn sich herausstellt, dass es z.B. ein Problem mit einem Ausrüstungsteil gibt, wovon viele Feuerwehren gleichzeitig betroffen sind, bedeutet es für die FUK schnell zu handeln, um Folgeunfälle zu verhindern.

Foto: Löschgruppenfahrzeug nach einer Kollision. | Foto: FUK Mitte
Nach einem Unfall auf einer Einsatzfahrt waren insgesamt 12 verletzte Personen zu beklagen. Das Löschgruppenfahrzeug hatte sich nach einer Kollision überschlagen. | Foto: FUK Mitte

Die Aufklärung von Unfällen dient der Verbesserung der Sicherheit im Feuerwehrdienst. Und jeder Unfall, der zukünftig vermieden werden kann, verhindert persönliches Leid der Feuerwehrangehörigen und spart Kosten für die Solidargemeinschaft aller Städte und Gemeinden, die die Beiträge für die FUK entrichten.

HFUK Nord untersuchte tödlichen Atemschutzunfall

Wie die Untersuchung eines schweren Unfalls durch die Feuerwehr-Unfallkasse abläuft, stellen wir anhand eines aktuellen Beispiels dar: Im Geschäftsgebiet der HFUK Nord hatte sich Ende vergangenen Jahres ein Unfall mit tödlichem Ausgang ereignet. Ein Atemschutzgeräteträger der Freiwilligen Feuerwehr Marne (Schleswig-Holstein) war während der Brandbekämpfung im Innenangriff tödlich verunglückt. Die Untersuchung des Ereignisses war sehr aufwändig und nahm etwa ein dreiviertel Jahr in Anspruch. Zusammen mit der Freiwilligen Feuerwehr Marne und in Kooperation mit den ermittelnden Stellen der Kriminalpolizei und der Staatsanwaltschaft wurde das Geschehen analysiert und aufgearbeitet.

An einem Sonntagmorgen im Dezember 2015 war die FF Marne zu einem Gebäudebrand alarmiert worden. Der verunglückte Atemschutzgeräteträger begab sich gemeinsam mit anderen Feuerwehrangehörigen zur Brandbekämpfung in das Gebäude. Im Laufe des Einsatzes kam es im Bereich des Dachgeschosses zu einer dynamischen Brandausbreitung, in deren Folge die dort befindlichen Trupps zum Teil die Orientierung verloren. Ein Atemschutzgeräteträger verblieb im direkt vom Brand betroffenen Bereich und wurde erst nach ca. 40 Minuten durch die eingesetzten Sicherheitstrupps aufgefunden. Der Notarzt konnte nur noch den Tod feststellen.

Die ersten Ermittlungen und Befragungen wurden durch die HFUK Nord bereits am Unfalltag vor Ort in Marne durchgeführt. Dabei ergab sich ein äußerst komplexes und unterschiedliches Bild bei den Aussagen und Wahrnehmungen der beteiligten Feuerwehrangehörigen. Die Feuerwehrangehörigen standen offensichtlich noch sehr stark unter dem Eindruck des tragischen Geschehens. Bei weiteren Zusammenkünften in den folgenden Wochen konnte der Geschehensablauf so weit wie irgendwie möglich rekonstruiert werden. Dabei haben sich genaue Erkenntnisse zu den Abläufen vor dem Unfall, zum Verlauf des Unfalls sowie zu den Abläufen nach dem Unfall (Atemschutznotfall und Notfallrettung) ergeben. Zusammenfassend kann berichtet werden, dass die wesentliche Ursache des tödlichen Unfalls darin zu sehen ist, dass es plötzlich zu einer dynamischen Brandausbreitung in dem Bereich kam, in dem die Trupps vorgingen. Rauch und Hitze breiteten sich schlagartig aus und zwangen die mit dem verunglückten Feuerwehrmann vorgehenden Truppmitglieder, den betroffenen Bereich fluchtartig zu verlassen. Der Verunglückte verlor in dem sehr verwinkelten und verschachtelten Objekt die Orientierung und fand nicht mehr hinaus. Ein Kontakt zur Rückzugsicherung war nicht vorhanden. Hinzu kamen mehrere Faktoren, die die Atemschutznotfallrettung im Anschluss erschwerten.

Foto: Hausbrand | Foto: Freiwillige Feuerwehr Marne
Bei diesem Brandeinsatz verunglückte ein Feuerwehrmann tödlich, der unter Atemschutz im Innenangriff eingesetzt war. | Foto: Freiwillige Feuerwehr Marne

Verkettung von Fehlern

Bei der Auswertung des Unfalls ist im Nachhinein festzustellen, dass den eingesetzten Feuerwehrangehörigen im Laufe der Einsatzvorbereitung und des Einsatzes mehrere Fehler unterlaufen sind. Es wurde jedoch deutlich, dass es sich keinesfalls um schwerwiegende Fehler handelte. Vielmehr führten die Summe und Verkettung selbiger und auch die Fehler des Unfallverletzten selbst in der Folge zu dem tödlichen Unfall.

An dieser Stelle möchten wir anmerken, dass nicht jeder Einsatz fehlerfrei verläuft. Dennoch sollten als Ergebnis einer ausführlichen Unfallanalyse und mit dem Ziel einer wirksamen Prävention, alle Probleme angesprochen werden. Jeder Fehler hätte einzeln für sich genommen wahrscheinlich keine schwerwiegenden Folgen gehabt. Die Summe, Verkettung und Wechselwirkung der Fehler und Einzelereignisse führten jedoch zu dem tödlichen Unfall. Wichtige Schlussfolgerung aus der Analyse ist, dass die derzeitige Vorschriftenlage für den Atemschutzeinsatz der Feuerwehren ausreichend ist. Es bedarf weder einer Verschärfung, noch einer Abänderung der Unfallverhütungsvorschriften oder der Feuerwehr-Dienstvorschriften. In erster Linie sind die Konsequenzen deshalb für die Aus- und Fortbildung der Feuerwehren in den Bereichen Atemschutz und Atemschutznotfallrettung zu ziehen.
Bei der Schulung der Feuerwehrangehörigen muss der Fokus noch stärker auf eine sichere Vorgehensweise und Taktik sowie auf die strikte Einhaltung der einschlägigen Vorschriften, wie Feuerwehr-Dienstvorschrift 7 (Atemschutz) und UVV Feuerwehren, gelegt werden.

Im Rückblick auf die geschilderte Unfalluntersuchung ist vor allem die durchweg konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der betroffenen FF Marne positiv hervorzuheben. Die Feuerwehrangehörigen taten alles Erdenkliche, um zur Aufklärung des tödlichen Unfalls beizutragen. Die Ermittlungsergebnisse wurden mit der FF Marne zuerst besprochen, bevor die HFUK Nord mit Details und Schlussfolgerungen an die Öffentlichkeit ging. Die Auswertung des Unfalls und die Ableitungen für die Unfallverhütungsarbeit wurden nunmehr im „Sicherheitsbrief Nr. 40“, der Präventionsschrift für den Feuerwehrdienst (erschienen im Oktober 2016) veröffentlicht. Dieser kann über die Internet-Seiten der HFUK Nord und der FUK Mitte unter www.hfuk-nord.de und www.fuk-mitte.de heruntergeladen werden. Zudem werden die Seminarthemen der HFUK Nord und die Fortbildung der Sicherheitsbeauftragten in den kommenden Jahren die Erkenntnisse aus dem tödlichen Unfall zum inhaltlichen Schwerpunkt haben.

Ansicht

Wir alle müssen daraus lernen

Am 6. Dezember vergangenen Jahres verunglückte ein Atemschutzgeräteträger unserer Wehr beim Brandeinsatz tödlich. Dieses Ereignis hat uns alle sehr getroffen. Niemand hatte damit gerechnet, dass einmal einer unserer Kameraden vom Einsatz nicht zurückkehrt.

Nach dem tödlichen Unfall standen wir vor vielen Fragen: Warum kam es zu dem tragischen Geschehen? Was hätte im Einsatz anders laufen müssen? Ist mit der persönlichen Schutzausrüstung und der Technik alles in Ordnung gewesen? Die ermittelnden Behörden wie Polizei und Staatsanwaltschaft stellten viele Fragen. Und die HFUK Nord war bereits zum ersten Mal direkt am Unfalltage bei uns und begann, die Umstände des Unfalles zu untersuchen.

Nachdem erste Vorbehalte und Bedenken ausgeräumt waren, merkten wir schnell: Die Feuerwehr-Unfallkasse ist als Partner gekommen, um mit uns gemeinsam den Unfall aufzuklären. Von Anfang an herrschte eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Ziel war es doch schließlich, unsererseits alles Erdenkliche zur Aufklärung beizutragen. Zusammen mit der HFUK Nord haben wir alle Geschehnisse und Abläufe rekonstruiert. Die Auswertung der Untersuchungsergebnisse und die Ableitungen für die Praxis wurden mittlerweile durch die HFUK Nord veröffentlicht. Wir sind froh, dass die HFUK Nord uns bei der Aufarbeitung und Aufklärung dieses schlimmen Ereignisses partnerschaftlich zur Seite stand. Wir haben aus dem Unfall unsere Lehren gezogen. Und auch alle anderen Feuerwehren müssen daraus lernen. Wir hoffen, dass die Erkenntnisse aus diesem Unfall dazu beitragen, dass so etwas nie wieder geschieht.

Foto von Axel Wogatzke, Wehrführer FF Marne | Foto: Freiwillige Feuerwehr Marne
Axel Wogatzke, Wehrführer FF Marne | Foto: Freiwillige Feuerwehr Marne