Jahresstatistik 2023
Unfallgeschehen und -schwerpunkte im Feuerwehrdienst
Einmal jährlich stellen die Feuerwehr-Unfallkassen Brandenburg, Mitte und HFUK Nord ihre Unfallstatistiken vor. Kurz und prägnant werden Tätigkeiten erläutert, bei denen es zu Unfällen kam. Die Statistiken dokumentieren das Unfallgeschehen über sechs Bundesländer und geben damit einen interessanten Aufschluss über die Unfallschwerpunkte im Feuerwehrdienst. Aber hinter diesen Zahlen steckt natürlich viel mehr. Für alle Unfälle gilt: Sie führen zu einer physischen und/oder psychischen Beeinträchtigung von Feuerwehrangehörigen. Das fängt an bei einem kurzen, vielleicht nur wenige Minuten andauernden Schmerz und reicht bis zu einer lebenslang andauernden schweren Beeinträchtigung. Letzteres sollte natürlich nicht eintreten, lässt sich aber nicht immer vermeiden.
Auch die Coronapandemie muss im Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen erwähnt werden. Die Unfallstatistik macht es deutlich: Während der Pandemie ging die Unfallzahl deutlich nach unten. „Prima“ könnte man da sagen, eine Win-Win-Situation, weniger Leid auf der einen, weniger Kosten auf der anderen Seite. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Grund für diesen Rückgang bei den Unfallzahlen war der auf das Notwendigste eingeschränkte Feuerwehrdienst. Alles was zur Kameradschaftspflege gehört, fand in dieser Zeit nicht statt. Das ist jedoch ein Zustand, der gerade im ehrenamtlichen Feuerwehrdienst nicht auf Dauer tragbar ist. Denn nur wenn es zwischenmenschlich stimmt, kann man sich in gefährlichen Situationen im Einsatz aufeinander verlassen.
Unfallgeschehen 2023 in den Ländern
FUK Brandenburg
Unfallzahlen mit leichtem Anstieg zu den Vorjahren
Im Zuständigkeitsbereich der Feuerwehr-Unfallkasse Brandenburg ereigneten sich 804 Unfälle (im Jahr zuvor waren es 726). Dies sind 78 Unfälle (10,74 %) mehr als im Vorjahr. Die Zahl der schweren Unfälle ist im Vergleich zum Vorjahr um die Hälfte zurückgegangen. Tödliche Unfälle waren nicht zu verzeichnen.
Die Unfälle im Zusammenhang mit den Tätigkeiten bei der Technischen Hilfeleistung sind prozentual annähernd gleichgeblieben, bei der Brandbekämpfung hingegen haben sie sich, bezogen auf die Gesamtzahl der Schadensereignisse, deutlich verringert.
Im Übungs- und Schulungsdienst ist die Zahl der Unfälle leicht gestiegen. Im Bereich Dienstsport und dienstliche Veranstaltungen ist die Zahl der Unfälle annähernd gleichgeblieben.
Brandenburg ist mit viel Kiefernwald, geringem Niederschlag und trockenen Böden eines der waldbrandgefährdetsten Bundesländer. Rund 300.000 Hektar Waldfläche gelten als munitionsbelastet.
In der Waldbrandsaison 2023 hat es mehr geregnet als im Jahr 2022. Dies führte zu einem deutlichen Rückgang bei der Zahl der Waldbrände in Brandenburg. Trotzdem wurden die Feuerwehren in Brandenburg zu 244 Waldbränden gerufen.
Der größte Waldbrand mit 688 Hektar Fläche ereignete sich auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz in Jüterbog (Teltow-Fläming). Da das Areal munitionsbelastet ist, konnten bodengebundene Einheiten nur von geräumten Wegen und Schneisen aus eingesetzt werden.
Die Löscharbeiten erfolgten überwiegend aus der Luft. Zur Erkundung und Brandbekämpfung wurden unterschiedliche Luftfahrzeuge verschiedener Aufgabenträgerinnen eingesetzt. Dabei waren erstmals auch Löschflugzeuge, die aus dem Landkreis Harz in Sachsen-Anhalt angefordert wurden.
Zur Koordinierung dieser Einheiten werden in Brandenburg Luftkoordinatoren an Einsatzstellen im Brand- und Katastrophenschutz durch die Landesschule und Technische Einrichtung für Brand- und Katastrophenschutz (LSTE) ausgebildet. Damit wird die Sicherheit und Gesundheit der Einsatzkräfte bei der Bekämpfung von Vegetationsbränden deutlich verbessert.
Feuerwehr-Unfallkasse Mitte
Unfallzahlen wieder auf normalem Niveau
Nachdem in den Jahren der Pandemie die Unfallzahlen deutlich unter dem Durchschnitt der vorherigen Jahre lagen, sind die Unfallmeldungen 2023 wieder auf dem „normalen“ Niveau angekommen.
Der FUK Mitte wurden im Jahr 2023 insgesamt 1.447 Versicherungsfälle gemeldet. Das sind 180 Fälle mehr als im Jahr zuvor. Von den gemeldeten Unfallereignissen lagen 1.096 in der Zuständigkeit der Feuerwehr-Unfallkasse Mitte und wurden als Arbeitsunfall anerkannt (202 Unfälle mehr als 2023).
Betrachtet man die Tätigkeiten, bei denen es zu Unfällen kam, zeigt sich, dass ein Großteil sich wieder im Einsatzdienst (42%) und im Übungs- und Schulungsdienst (30%) ereigneten, wobei es im Bereich Einsatzdienst zu einer Zunahme der Unfälle in Verbindung mit Brandbekämpfungen kam. Viele Vegetationsbrände forderten die Einsatzkräfte in den Sommermonaten.
Die häufigsten Ursachen, die zu Unfällen im Einsatz führten, waren zum einen Stolpern und Umknicken – dies ist auch die häufigste Unfallursache aller eingegangenen Unfallmeldungen – gefolgt von psychischen Belastungen und Herz-Kreislaufproblemen.
Dies zeigt, dass der Einsatzdienst in der Feuerwehr eine schwere Tätigkeit ist, die den Einsatzkräften physisch und psychisch viel abverlangt.
Zum Übungs- und Schulungsdienst werden auch die Unfälle in Verbindung mit Wettbewerben der Feuerwehren gezählt. Rund ein Viertel der Unfälle im Bereich Übungs- und Schulungsdienst ereigneten sich bei Wettbewerben. Die Ursachen sind hier oft das Getroffenwerden von Teilen, Anstoßen und Einklemmen.
Trotz steigender Unfallzahlen gibt es auch positive Nachrichten: 2023 ereignete sich kein tödlicher Unfall im Feuerwehrdienst in Sachsen-Anhalt und Thüringen.
Hanseatische Feuerwehr-Unfallkasse Nord
Unfallzahlen deutlich gestiegen - Niveau der Jahre vor der Pandemie erreicht
Der HFUK Nord wurden im Jahr 2023 insgesamt 2.511 Versicherungsfälle gemeldet, dies sind über 200 Unfälle mehr als im Vorjahr. Von diesen gemeldeten Fällen lagen 1.582 Unfälle in der Zuständigkeit der HFUK Nord und wurden anerkannt (203 Unfälle mehr als 2022). Damit wurde der durchschnittliche Wert der anerkannten Unfälle der letzten 10 Jahre erreicht. Die Zuständigkeit der HFUK Nord erstreckt sich nicht nur auf die freiwilligen Feuerwehren und ihre Jugendfeuerwehren. Hier ereigneten sich 1.568 Unfälle. Bei den Mitarbeitern der Feuerwehrtechnischen Zentralen, Kreis- und Stadtfeuerwehrverbänden, Landesfeuerwehrverbänden ereigneten sich die übrigen 14 Unfälle.
Die einsatzbedingten Unfälle sind insgesamt um 42 Unfälle im Vergleich zum Vorjahr gesunken, als es zu zahlreichen Sturmeinsätzen kam. Bei diesen Einsätzen wurden mit 14 Unfällen 69 Fälle weniger gemeldet als im Jahr 2022. Gesunken sind auch die Unfälle im Rahmen der Technischen Hilfeleistung, hier ereigneten sich 13 Unfälle weniger als im Vorjahr. Gestiegen sind die Unfälle jedoch im Rahmen von Brandeinsätzen, hier gab es eine Zunahme von 34 Fällen.
Die Unfallzahlen im Rahmen des Übungs- und Schulungsdienstes sind am stärksten angestiegen. Hier wurden 98 Unfälle mehr als im Vorjahr gemeldet. Dazu zählen auch Ereignisse im Rahmen von feuerwehrtechnischen Vergleichen, wo sich mit 101 Unfällen im Vergleich zum Vorjahr 33 Fälle mehr ereigneten. Fast verdoppelt haben sich die Unfälle im Rahmen des Dienstsports, hier stieg die Zahl der gemeldeten Unfälle von 78 auf 149. Damit ereigneten sich hier 10 % aller Unfälle. Dies ist jedoch auch in den Jahren vor dem Pandemiegeschehen so gewesen, wo der HFUK Nord im Durchschnitt 172 Unfälle im Zusammenhang mit dem Dienstsport und damit 11 % aller Unfälle gemeldet wurden. Auch im Rahmen von dienstlichen Veranstaltungen wurden 69 Unfälle mehr gemeldet. Dies entspricht ebenso dem Niveau des Jahres 2019 und der Jahre davor. Wir gehen davon aus, dass in diesen Bereichen die Aktivitäten entsprechend zugenommen haben.
Bei einem Todesfall im Rahmen einer Versammlung wurde festgestellt, dass der Feuerwehrdienst nicht todesursächlich war. Glücklicherweise konnten umgehend Leistungen aus dem Fonds für nicht-unfallbedingte Gesundheitsschäden ausgezahlt werden, da sich die Gemeinde an diesem Fonds der HFUK Nord beteiligte.
Vision Zero
Das Unfallgeschehen zeigt, dass sich der Feuerwehrdienst wieder „normalisiert“ hat. Für die Feuerwehr-Unfallkassen bedeutet dies aber nicht, die Hände in den Schoß zu legen, denn jeder Unfall ist ein Unfall zu viel. Die Auswertung des Unfallgeschehens zeigt uns, wo die Schwerpunkte liegen. Diese werden analysiert und ausgewertet, um dann mögliche Präventionsmaßnahmen abzuleiten. Vision Zero – ein Ziel, kein tödliches oder schweres Unfallgeschehen zu haben, dem wir uns annähern können und wollen. Am Ende sind Feuerwehrleute aber eben keine Superhelden, sondern auch nur Menschen, die sich unvorhersehbaren Ereignissen und schwierigen, gefährlichen Situationen im Einsatz stellen müssen. Fehler und Missgeschicke bleiben da nicht aus.
„Das Unfallgeschehen zeigt, dass sich der Feuerwehrdienst wieder „normalisiert“ hat. Für die Feuerwehr-Unfallkassen bedeutet dies aber nicht, die Hände in den Schoß zu legen, denn jeder Unfall ist ein Unfall zu viel.“
Neben der Verringerung der Unfallzahlen setzen wir in der Prävention auch auf Maßnahmen zur Verringerung der Unfallschwere. Mit einer guten technischen Ausstattung und optimaler persönlicher Schutzausrüstung (PSA) können unsere Versicherten bei Unfällen am besten vor schweren Auswirkungen geschützt werden. Deshalb ist es auch unsere Aufgabe, unser Wissen bei der Weiterentwicklung der PSA und der Einsatztechnik einzubringen. Besonders wichtig ist natürlich die Aufklärung der Feuerwehrangehörigen mit unseren vielseitigen Präventionsmaterialien.
Wir bleiben am Ball, um die Unfallzahlen oder wenigstens die Schwere der Unfälle zu reduzieren.
Ansicht
Wichtig: Aus Unfällen lernen.
Als Vorsitzender des Thüringer Feuerwehrverbands bin ich auch im Vorstand der Feuerwehr-Unfallkasse (FUK) Mitte als alternierender Vorsitzender aktiv. Die Auswertungen des Unfallgeschehens durch die FUK zeigen mir deutlich, wieviel Schlimmes im Feuerwehrdienst immer wieder passiert. Die gute Absicherung mit der bestmöglichen medizinischen Versorgung, optimale Leistungen in der Rehabilitation und nicht zuletzt die finanziellen Leistungen für die ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen sind sehr wichtig. Aber bei den Feuerwehr-Unfallkassen geht es nicht nur um Schadensbegrenzung, wenn das sprichwörtliche Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Vielmehr geht es darum, dass Unfälle erst gar nicht eintreten. Daher finde ich es sehr wichtig, dass nicht einfach nur eine Unfallstatistik vorgelegt wird, sondern diese auch ausgewertet wird und Schlüsse daraus gezogen werden.
Im Laufe der Zeit wurden aus der Unfallstatistik schon viele Maßnahmen abgeleitet. Dazu zählen Unterlagen für Ausbildung in den Feuerwehren, Zusammenarbeit mit den Herstellern von Feuerwehrtechnik und Persönlicher Schutzausrüstung, Warnhinweise für den Umgang mit der Technik, aber auch Hinweise zum richtigen Verhalten im Einsatz- und Übungsdienst. Dabei sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Feuerwehr-Unfallkassen aber nicht nur am Schreibtisch aktiv. Sie sind auch in den Feuerwehrhäusern im Land unterwegs, um vor Ort die Feuerwehren und die Träger des Brandschutzes zu beraten. Es werden auch nicht nur Plakate und Broschüren verschickt, die FUK ist auch mit ihren Schulungsmaßnahmen in der Fläche präsent. Das alles brauchen wir, damit unsere Feuerwehren nicht nur gut versorgt sind, wenn ein Unfall eingetreten ist. Der Ansatz der Feuerwehr-Unfallkassen ist, so viele Unfälle wie möglich erst gar nicht geschehen zu lassen. Der Vorstand und die Vertreterversammlung unterstützen die FUK bei diesem Vorhaben. Durch unsere eigene langjährige Erfahrung im Feuerwehrdienst haben wir auch den einen oder anderen praktischen Ratschlag parat.