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Jeden Tag mit dem Traktor aufs Feld

Trotz Querschnittlähmung weiter Landwirt

Hans-Werner Hansen | © Foto: Lutz Kettenbeil
Hans-Werner Hansen | © Foto: Lutz Kettenbeil

Für Hans-Werner Hansen und seine Frau Kerstin brach am 30.06.2015 eine Welt zusammen. Ihre gesamte Lebensplanung geriet ins Wanken, als Wehrführer Hansen beim Arbeitsdienst der Freiwilligen Feuerwehr Stedesand (Kreis Nordfriesland) durch ein Dach brach und aus gut fünf Metern Höhe auf einen Betonboden stürzte. Eine schlimme Diagnose wurde zur Tatsache: Querschnittlähmung. Für jeden berufstätigen jungen Menschen ist diese Diagnose schon niederschmetternd, für einen Landwirt bedeutet sie eigentlich das berufliche Aus. Mit Unterstützung der Hanseatischen Feuerwehr-Unfallkasse Nord hat Hans-Werner Hansen heute wieder eine gute Perspektive in seinem alten Beruf. Man kann ihn wieder jeden Tag auf dem Feld antreffen. Und wenn er nicht mit dem Traktor unterwegs ist, bewegt er sich selbständig mit seinem „Ziesel“ durch Feld und Flur.

Viele Maßnahmen im Rahmen des Reha-Managements der HFUK Nord haben bis jetzt zu einer erfolgreichen Wiedereingliederung ins Arbeitsleben (Teilhabe) geführt. Allein die gute Versorgung und Betreuung im BG-Unfallkrankenhaus Hamburg lobt Hans-Werner Hansen. Im angeschlossenen  Querschnittgelähmtenzentrum werde man nicht nur körperlich, sondern auch seelisch auf die neue Situation eingestellt. Ärzte und Pfleger kennen sich aus und haben auch noch Zeit für einen „Klönschnack“. Hansen hatte sich im Rahmen der Rehabilitation für die Kanu-Therapie und die Hippo-Therapie angemeldet. Mit
Unterstützung von drei Pflegern lernte er im Kanu sein Gleichgewichtssinn neu zu justieren. Mit dem gleichen Ziel wechselte er dann vom Kanu aufs Pferd.

Bis zum Jahresbeginn 2016 wurde Bauer Hansen zuerst von zwei Betriebshelfern, dann noch von einem unterstützt. Selbstverständlich geht es auch nicht ohne die tatkräftige Hilfe von Ehefrau Kerstin und seines Vaters. Zu dem Hof „Hasenhallig“ gehören neben der Bewirtschaftung von 67 Hektar Ackerland und 48 Hektar Grünland auch noch 50 Milchkühe sowie Jungvieh und Mastbullen, die jeden Tag versorgt werden müssen. Die zusätzliche Belastung kommentiert Ehefrau Kerstin so: „Wenn man muss, kann man Vieles, was man sich vorher nicht vorstellen konnte.“

Hans-Werner Hansen will nochwas. Als Nordfriese hat er den Glauben an eine Besserung in den Verletzungsfolgen noch nicht aufgegeben. Er ist auch weiter Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr und fast bei jedem Dienst dabei – allerdings nicht mehr als Wehrführer und nicht mehr in der Einsatzabteilung. Die Umbaupläne fürs Haus wurden auf seinen Wunsch hin erst einmal um ein Jahr hinausgeschoben. Man müsse ja erst einmal austesten, was man noch alles könne, meinte Hansen optimistisch. Obwohl die behandelnden Ärzte einen kompletten Querschnitt diagnostiziert haben, setzt Hansen auf die Zukunft. „In wenigen Jahren kann sich in der Medizin viel ändern“, meinte der Landwirt und Familienvater.

Mit Traktor und Ziesel im Beruf mobil

Der „Ziesel“ ist mit seinem Raupenantrieb besonders gut für unwegsames Gelände geeignet. Hans-Werner Hansen prüft die Feuchtigkeit des Bodens. | © Foto: Lutz Kettenbeil
Der „Ziesel“ ist mit seinem Raupenantrieb besonders gut für unwegsames Gelände geeignet. Hans-Werner Hansen prüft die Feuchtigkeit des Bodens. | © Foto: Lutz Kettenbeil

So wechselt Hansen jeden Tag vom Rollstuhl auf die spezielle Einstiegshilfe für seinen Fendt-Traktor und dirigiert sich per Fernsteuerung in die Fahrerkabine. Elektromotor und Hydraulik übernehmen den Kraftakt. Alles Handarbeit, keine Serienproduktion. Alles abgenommen und zugelassen. In der Fahrerkabine selbst musste nur die Bremse des Traktors auf „Handbetrieb" umgestellt werden. Schon vor dem Unfall hatte Hansen die übrigen Funktionen per „Joystik“ gesteuert.

Zurzeit sei es noch ein Nachteil, dass er mit dem Traktor immer dort hinfahren muss, wo er abgefahren ist, um wieder in den Rollstuhl zu kommen. Doch auch für die Mitnahme des Rollstuhls wird sich eine Lösung finden. Genauso wie für die Kontrolle des Bodens, der Saat und der Kühe auf der Weide. Mit einem normalen Elektrorollstuhl könnte er diese Tätigkeiten nicht erledigen. Deshalb wurde Bauer Hansen mit einem „Ziesel“ der Firma Mattro aus Österreich ausgestattet. Jetzt fährt er mit einem 20 PS-Raupenantrieb im Rollstuhl über den Hof und auf die Felder, kann alles kontrollieren und auch mit einem Anhänger und einer Seilwinde kleinere Arbeiten erledigen. Eine Batterieladung reicht für 2,5 Stunden oder 70 Straßenkilometer (hierfür jedoch keine Zulassung). Die Übersteighilfe vom Rollstuhl in den Ziesel wurde vom Nachbarn – einem Zimmermann – als Maßarbeit aus Holz gefertigt. Man hilft sich eben.

Damit er sich noch besser im landwirtschaftlichen Betrieb bewegen kann, werden im Geräteschuppen jetzt neue Rolltore mit Elektroantrieb eingebaut. Die vorhandenen schweren Tore, die zur Seite geschoben werden mussten, waren vom Rollstuhl aus nicht zu bewegen. Wenn sie eingebaut sind, geht es an den Umbau der hofeigenen Werkstatt. Kleinere Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten können dann an einer abgesenkten Werkbank erledigt werden.

Notwendig war eine „Hand-Bremse“ für den Traktor (großer schwarzer Hebel, links). Der Rest ging vorher schon mit Joystik. | © Foto: Lutz Kettenbeil
Notwendig war eine „Hand-Bremse“ für den Traktor (großer schwarzer Hebel, links). Der Rest ging vorher schon mit Joystik. | © Foto: Lutz Kettenbeil

Wie geht’s weiter?

Damit er auch „unter die Leute“ kommen kann, habe er sich einen VW-Bus angeschafft, der ebenfalls auf Kosten der HFUK Nord von der Firma HandiCar in Neumünster behindertengerecht umgebaut wurde. Neben einem Rollstuhlpersonenlifter wurden sämtliche Bedienelemente für den Fahrer auf „Handbetrieb“ umgerüstet.
Zweimal in der Woche erhält Hans-Werner Hansen noch Anwendungen beim Physiotherapeuten, um die Gelenke beweglich zu erhalten.
Derzeit wird über ein Rentengutachten die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) festgestellt. Das Arbeitseinkommen im Jahr vor dem Unfall und die Höhe der MdE sind die Eckpunkte für die zu gewährende laufende Versichertenrente. Nach der Höheder MdE als Dauerschaden richten sich auch die nach der Satzung zu gewährenden einmaligen Mehrleistungen. Versichertenrente und Mehrleistungen werden mit einem Bescheid vom Rentenausschuss der HFUK Nord festgestellt.
Sämtliche weitere Aufwendungen, die der Teilhabe am Arbeitsleben und in der Gesellschaft dienen, werden gesondert von der HFUK Nord erbracht. Insoweit wird die Betreuung durch die Kasse noch für Jahrzehnte Bestand haben.

Persönlicher Kontakt ist wichtig

Dabei, so Hans-Werner Hansen, sei der persönliche Kontakt zur HFUK Nord für ihn sehr wichtig. Über eine gute Betreuung zu lesen ist eine Sache, sie zu erleben eine andere. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der HFUK Nord hätten ihn mehrfach im BG Klinikum Hamburg besucht und umfassend informiert. Auch auf dem Hof „Hasenhallig“ seien sie gewesen, um mit ihm und seiner Frau die Möglichkeiten von Umbaumaßnahmen der Gebäude - mit späterer Unterstützung eines Architekten – zu besprechen. Damit kann man sehr zufrieden sein, meinte Hansen.

Mit dem Rollstuhlpersonenlifter geht’s in den VW-Bus. Die Technik ist sehr zuverlässig. | © Foto: Lutz Kettenbeil
Mit dem Rollstuhlpersonenlifter geht’s in den VW-Bus. Die Technik ist sehr zuverlässig. | © Foto: Lutz Kettenbeil

Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und ergänzende Leistungen

Exkurs:

Aufgabe der gesetzlichen Unfallversicherung ist es, mit allen geeigneten Mitteln nach Eintritt von Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Versicherten wiederherzustellen und sie oder ihre Hinterbliebenen durch Geldleistungen zu entschädigen. Dabei gilt der Grundsatz „Rehabilitation vor Rente“. Dieser Anspruch soll mit einem Katalog verschiedenster Leistungen erreicht werden. Zu diesen Leistungen zählen die Kraftfahrzeughilfe und die Wohnungshilfe nach der medizinischen Rehabilitation, sowie die ergänzenden „sonstigen Leistungen“, die den Erfolg der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe sicherstellen sollen. Rechtsgrundlage für diese Sachleistungen sind die §§ 39 ff. SGB VII. Sie werden neben den Geldleistungen für die Versicherten erbracht.

Kraftfahrzeughilfe

wird erbracht, wenn die Versicherten infolge der Art oder der Schwere ihres Gesundheitsschadens auf die Benutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen sind und dies nicht nur vorübergehend der Fall ist. Damit soll die Teilhabe am Arbeitsleben oder am Leben in der Gemeinschaft weiter ermöglicht werden. Die Kraftfahrzeughilfe umfasst die Leistungen zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs ebenso wie für eine behinderungsbedingte Zusatzausstattung und auch zur Erlangung einer Fahrerlaubnis. Für die Kraftfahrzeughilfe hat die Bundesregierung eine Verordnung erlassen. Sie gilt ebenso für die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Der Unfallversicherungsträger kann im Einzelfall zur Vermeidung einer wirtschaftlichen Notlage auch einen Zuschuss zahlen, der über demjenigen liegt, der in der Verordnung vorgesehen ist.

Wohnungshilfe

wird erbracht, wenn infolge der Art oder der Schwere des Gesundheitsschadens nicht nur vorübergehend die behindertengerechte Anpassung (Ausbau, Umbau) vorhandenen Wohnraums oder die erstmalige Bereitstellung behindertengerechten Wohnraums (Umzug, Neubau) erforderlich ist. Wohnungshilfe wird ferner erbracht, wenn sie zur Sicherung der beruflichen Eingliederung erforderlich ist. Die Wohnungshilfe umfasst auch Umzugskosten sowie Kosten für die Bereitstellung von Wohnraum für eine Pflegekraft.