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Feuerwehrleute brauchen Fürsorge

Interview mit Landesfeuerwehrärztin Dr. med. Patricia Bunke, M-V

Foto: Rede der Landesfeuerwehrärztin Dr. med. Patricia Bunke aus Mecklenburg-Vorpommern | Foto: LFV M-M
Aufklärungsarbeit von Führungs- und Leitungskräften gehört zu den Aufgaben der Landesfeuerwehrärzte. | Foto: LFV M-M

DIALOG: Ende Juli diesen Jahres fanden die Deutschen Feuerwehrmeisterschaften in Rostock statt. Dort ging es um Schnelligkeit und körperliche Leistungsfähigkeit. In einigen Disziplinen wurden Spitzenleistungen erreicht. Braucht die Feuerwehr aus ärztlicher Sicht Spitzensport oder Breitensport?
Eigentlich beides. Aus meiner Sicht natürlich eher den Breitensport, wobei das Schwergewicht auf Kraft, Ausdauer und Fitness liegen muss. Spitzensport hat in der Feuerwehr jedoch auch seinen Platz. Die Feuerwehrmeisterschaften in Rostock haben gezeigt, dass Sport Spaß macht, die Kameradschaft fördert und ein positives Bild der Feuerwehr in der Öffentlichkeit zeichnet. Selten war die Feuerwehr in den Medien so präsent wie mit den Meisterschaften.

DIALOG: Obwohl aus unserer Sicht dringend notwendig, ist der Feuerwehrarzt bzw. die Feuerwehrärztin in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich oder gar nicht „verortet“. Wie sind Sie in die Position der Landesfeuerwehrärztin „gerutscht“?
Ich bin nicht gerutscht, sondern vom damaligen Landesbrandmeister eher geschoben worden. Aus meiner Tätigkeit als Notärztin habe ich tatsächlich schon immer mit der Feuerwehr geliebäugelt. Als Heino Kalkschies feststellte, dass sich die Anfragen aus dem medizinischen Bereich, insbesondere zur Ausstattung der Feuerwehr, aber auch zu Eignung und Fitness der Aktiven häuften, suchte er eine Fachfrau. Nach kurzer Abstimmung in der Familie habe ich zugestimmt.

DIALOG: Der Deutsche Feuerwehrverband (DFV) hat zu Beginn des Jahres eine „Fachempfehlung zur Installation und Position des Feuerwehrarztes“ an seine Mitgliedsverbände herausgegeben. Danach ist die Hauptaufgabe die Beratung des Leiters der Feuerwehr in allen medizinischen Belangen als „Fachberater Medizin“. Reicht das?
In meinen Augen ist die Fachempfehlung in die Zukunft gerichtet. Noch fehlt es an einem flächendeckenden Netz von Ärzten in der Feuerwehr. Dabei wäre es nicht nur wünschenswert, sondern notwendig. Es geht um die Aktualisierung der Erste-Hilfe-Ausbildung oder um Schutzmaßnahmen an der Einsatzstelle bei infektiösen Patienten. Der „Kamerad Arzt“ kann auch Ergebnisse von Eignungsuntersuchungen in Feuerwehrsprache „übersetzen“ oder kritisch beim Kollegen hinterfragen. Obwohl ich den „Stallgeruch“ der Feuerwehr mitbringe, verspüre ich selbst noch bei einigen Kameraden gegenüber Ärzten eine eher reservierte Haltung, um es vornehm auszudrücken. Dies gilt auch für Führungskräfte. Hier sehe ich eine Parallele zu den Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) bei Einsatzkräften, die auch erst nach gut 15 Jahren bei der Feuerwehr „angekommen“ sind. Wenn sich ein Feuerwehrarzt oder eine -ärztin von Zeit zu Zeit zu Wort meldet, ist dies keine Schikane, sondern eine fachliche Information für die Führungskraft. Eher die Erfüllung einer Fürsorgepflicht, die eigentlich dem Bürgermeister obliegt. Einmal öfter als bisher über die eigene Gesundheit nachzudenken ist keine lästige Pflicht. Manchmal muss man die Feuerwehrleute auch vor sich selbst schützen.

DIALOG: In Mecklenburg-Vorpommern sind Sie seit drei Jahren die Landesfeuerwehrärztin. Wie viele Feuerwehrärztinnen und -ärzte gibt es im Land? Gibt es auch Ärzte als Ansprechpartner auf Kreisebene?
Folgt man Bismarck, findet in Mecklenburg-Vorpommern alles 50 Jahre später statt. Ganz so ist es natürlich nicht. Allerdings muss die Struktur noch wachsen. Die Fachempfehlung des DFV allein reicht da nicht aus. Jedes Land muss sein Konzept selbst erarbeiten. Da wird noch dran gearbeitet. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es einige Ärzte, die aktiv in der Feuerwehr sind. Um die Fläche des Landes abdecken zu können, bedarf es jedoch noch Zeit und Energie. Konkret: Nein, es gibt noch keine Kreisfeuerwehrärzte.

DIALOG: Die Feuerwehrärztin bzw. der Feuerwehrarzt soll nach der Fachempfehlung des DFV die Eignung für den Feuerwehreinsatzdienst und speziellen Aufgaben und Tätigkeiten feststellen oder die Eignungsuntersuchungen selbst gemäß rechtlicher Vorgaben durchführen. Kann das aus dem „Stand heraus“ erfolgen oder sollten die Ärzte geschult werden?
Wie schon gesagt, sollte der Feuerwehrarzt aktives Mitglied der Feuerwehr sein, um die möglichen Belastungen des Einsatzdienstes realistisch einschätzen zu können. Weil das nicht überall der Fall sein kann, sollten die Ärzte generell zusätzlich geschult werden. Die HFUK Nord hat in der Vergangenheit die G-26-Ärzte (zugelassene Arbeitsmediziner) in den Feuerwehrtechnischen Zentralen direkt in der Atemschutzübungsstrecke geschult. Das war gut und realitätsnah.


Foto: Dr. med. Patricia Bunke, Internistin | Foto: Lutz Kettenbeil
Dr. med. Patricia Bunke ist Internistin und durchläuft bei der FF Bad Kleinen die Feuerwehrausbildung. | Foto: Lutz Kettenbeil

Zur Person

Dr. med. Patricia Bunke ist Internistin und in der Zentralen Notaufnahme des Sana Hanse-Klinikums in Wismar tätig. Gleichzeitig ist sie aktives Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Bad Kleinen und Landesfeuerwehrärztin in Mecklenburg-Vorpommern. In dieser Eigenschaft stellt sie ihr Fachwissen auch dem Deutschen Feuerwehrverband in Berlin zur Verfügung.


DIALOG: Nach der Fachempfehlung soll der Feuerwehrarzt „insbesondere“ bei der Beurteilung für die Tauglichkeit der Atemschutzgeräteträger, der Taucher und der Höhenretter mitwirken. Dafür gibt es die BG-Grundsätze als Leitlinie. Woran orientiert sich jedoch ein Feuerwehrarzt für die übrigen Feuerwehrleute, wenn sich aus einer Gefährdungsanalyse die Notwendigkeit einer Eignungsuntersuchung ergibt?
Mittel- bis langfristig sollten alle Einsatzkräfte der Feuerwehr in regelmäßigen Abständen untersucht werden, nicht nur die Atemschutzgeräteträger, Taucher oder Höhenretter. Natürlich wird für diese Funktionsträger eine höhere Gefährdung angenommen. Deswegen werden sie mit dem Wort „insbesondere“ hervorgehoben. Dies ist jedoch nicht gleichbedeutend mit einem Ausschluss der anderen Einsatzkräfte. Dreh- und Angelpunkt ist die Gefährdungsanalyse, die für die Freiwillige Feuerwehr manchmal gar nicht gewollt ist. Sie kostet nämlich Zeit und die Umsetzung der Erkenntnisse in aller Regel auch noch Geld. Denken Sie nur an die „Schwarz-Weiß-Trennung“. Bei der Frage „Wie wertvoll ist die eigene Gesundheit heute?“, sind noch dicke Bretter zu bohren. Im Übrigen sind die engen Bestimmungen des Datenschutzes auf diesem Gebiet auch nicht immer hilfreich.

DIALOG: Halten Sie eine regelmäßige Eignungsuntersuchung für die Einsatzkräfte der Feuerwehr für sinnvoll und notwendig?
Sehr sinnvoll, notwendig bezogen auf die Einsatzkräfte. Sie werden körperlich schwer belastet und stehen mit der Alarmierung unter Stress. Ich habe selbst schon einen Feuerwehrmann erlebt, der im Einsatz einen Herzinfarkt erlitten hat.

DIALOG: Wenn ja, ab welchem Lebensalter oder sollte u.a. der BMI herangezogen werden? Welche Abstände sollten zwischen den Untersuchungen liegen?
Man sollte eine praktikable Lösung anstreben und das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Der aktive Feuerwehrdienst endet heute irgendwo zwischen dem 65. und 67. Lebensjahr. Vielleicht auch bald beim 70. Orientiert man sich an den Krankenkassen, wird ein medizinischer Check für alle Versicherten ab dem 35. Lebensjahr alle zwei Jahre angeboten. Übrigens kostenlos. Aber die wenigsten lassen sich durchchecken. Hier könnte man einsteigen. Aus dem Angebot der Krankenkassen macht die Feuerwehr eine Verpflichtung. Der Wehrleiter bekommt nur die Bescheinigung, dass sich seine Feuerwehrleute dem „Check 35“ unterzogen haben. Das Untersuchungsergebnis und eine eventuelle Behandlung bleibt Sache der Feuerwehrleute und ihrer Ärzte. Die Gemeinde zahlt nichts, vielleicht die Gebühr für die Bescheinigung. Aus meiner Sicht ein erster Schritt.

DIALOG: Die HFUK Nord hat vor mehreren Jahren für Feuerwehr-Führungskräfte und Ärzte eine „Entscheidungshilfe“ für die körperliche Eignung herausgegeben. Sie soll jetzt überarbeitet werden. Kann man damit als sachkundiger Arzt gut arbeiten?
Ja, kann man, uneingeschränkt. Die Entscheidungshilfe ist gut. Auch von der Herangehensweise und der doppelten Fragestellung nach Fitness und Funktion. Hier kommt zwar etwas Arbeit auf die Wehrleitung zu, aber es lohnt sich aus meiner Sicht allemal. Übrigens war es meine erste Aufgabe als Landesfeuerwehrärztin, die Entscheidungshilfe der HFUK Nord fachlich abzuklopfen und zu beurteilen.

DIALOG: Frau Dr. Bunke, wir danken Ihnen für das Gespräch.