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Brandenburg: Einsatznachsorge bei psychischer Belastung von Feuerwehrangehörigen

„Wenn die Seele brennt…“

Das Einsatznachsorgeteam (ENT)
Das Einsatznachsorgeteam (ENT) im Land Brandenburg, Foto: Peter Frank

Manfred F. ist langjähriges Mitglied einer freiwilligen Feuerwehr im Land Brandenburg. Häufig fuhr er zu Einsätzen, die zwar belastend waren, die er aber dennoch gut wegstecken konnte. Doch nach dem letzten Einsatz, als die Kameraden eine schwangere Frau nach einem schweren Verkehrsunfall nur noch tot bergen konnten, war das anders: „Ich habe das Gefühl, als stehe ich neben mir. Ständig kommen mir die Bilder des Unfalls in den Sinn und ich muss immer wieder daran denken, ob wir nicht anders hätten handeln können, dann wäre die Frau noch am Leben“. Er bemerkte, dass er unruhiger, gereizter und unkonzentrierter war als sonst. „Ich kann das gar nicht begreifen. Ich war schon bei so vielen Einsätzen dabei, das müsste ich doch wegstecken“.

In der Regel funktionieren Einsatzkräfte der Feuerwehr. Vor allem im Einsatz sind sie darauf fokussiert, ihre Arbeit zu tun und den Menschen möglichst schnell zu helfen. Sie haben Bewältigungsstrategien entwickelt, die sie vor den belastenden Eindrücken abschirmen. Doch was, wenn diese Bewältigungsstrategien versagen, abgenutzt sind oder einfach nicht mehr zur Verfügung stehen, weil das Ereignis über das normale Maß hinaus belastend war? Vor allem dann, wenn die belastenden Ereignisse ohne Vorwarnung auf die Einsatzkraft einwirken.

Um überhaupt eine Ahnung zu bekommen, welche Symptome nach belastenden Ereignissen auftreten können, ist es wichtig vor dem Einsatz, Angehörige von Feuerwehren über mögliche Stressbelastungen aufzuklären und zu schulen. Dies würde darüber hinaus ihre Bereitschaft dazu, sich im Schadensfall helfen zu lassen, vergrößern. Die Feuerwehr-Unfallkasse Brandenburg (FUK BB) bietet hierzu zweimal im Jahr Tagesseminare für die Kameradinnen und Kameraden der Feuerwehren an.

Einsatznachsorge für die Feuerwehren im Land Brandenburg: Hilfe für Helfer

Führungskräfte stehen mit der Aufgabe der psychosozialen Betreuung ihrer Kameradinnen und Kameraden im Land Brandenburg nicht alleine da. Mittlerweile gehört die psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) von Einsatzkräften zu einem wichtigen Bestandteil des Feuerwehrdienstes. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) hat mit vielen verschiedenen Partnern des Einsatz- und Gesundheitswesens Leitlinien und Qualitätsstandards entwickelt, um die psychische Unversehrtheit der Kameraden nach belastenden Einsätzen sicherzustellen.

Seit 1999 gibt es das Einsatznachsorgeteam (ENT) Land Brandenburg, das mit eigens qualifizierten Einsatzkräften und psychosozialen Fachkräften den Wehren zur Seite steht. Professionelle Hilfe von geschultem Personal kann zwar das Einsatzgeschehen nicht verändern, aber den Einzelnen bei der Verarbeitung des Erlebten unterstützen und zu einer schnelleren Gesundung und effektiveren Stressbewältigung beitragen.

Möchte eine Führungskraft sicherstellen, dass ihre Feuerwehrleute zur Stabilisierung nach einem belastenden Einsatz ein Nachsorgegespräch erhalten oder einfach nur beraten werden, wie man Belastungen erkennen und ihnen entgegenwirken kann, ist es sinnvoll, das ENT Brandenburg zu kontaktieren. Die Angebote des ENT reichen von Fortbildungsabenden in den Wehren vor einem belastenden Ereignis über Einzelgespräche bis hin zu strukturierten Gruppengesprächen nach dem Ereignis. Das Angebot ist ehrenamtlich und damit für die jeweilige Wehr kostenfrei.

Ansprechpartner für Einsatznachsorge im Land Brandenburg

Fachliche Leitung:
Stefan Baier (Landeskoordinator PSNV)
Tel.: 0172–305 20 71

Koordination:
Jörg Reichert (Feuerwehrmann, BF Potsdam)
Tel: 0178–552 64 08

Fachberater des LFV e.V.:
Susanne Deimling (Psychologische Psychotherapeutin)
Tel.: 0177–30 20 999
info[@]ent-brandenburg.de | www.ent-brandenburg.de

Der Ortswehrführer von Manfred F. hat ein strukturiertes Nachsorgegespräch nach dem belastenden Einsatz mit der verstorbenen Schwangeren für seine Wehr organisiert. „Ich habe gemerkt, dass ich mit meinen Gedanken und Reaktionen nicht alleine war. Wir haben im Vorfeld zwar viel über den Einsatz gesprochen, aber es war anders mit dem ENT. Es war so, als ob sich ein Puzzle zusammenfügt. Ich konnte danach das Geschehen besser anlegen und ein Erinnern ist lange nicht mehr so beunruhigend für mich“.

Professionelle Angebote der Feuerwehr-Unfallkasse:

Was ist, wenn die Hilfen der Einsatznachsorge nicht ausreichen oder die Belastungen über das normale Maß hinausgehen, weil sie besonders heftig sind oder länger andauern als nur 5-20 Tage? Dann ist fachärztliche / psychotherapeutische Hilfe geboten. In einem solchen Fall muss über eine Unfallanzeige bei der zuständigen Feuerwehr-Unfallkasse das Ereignis als Unfall gemeldet werden. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) hat das sogenannte Psychotherapeutenverfahren entwickelt, um den Betroffenen nach solchen Arbeitsunfällen schnellstmöglich qualifizierte professionelle Therapeuten für eine eventuelle traumatherapeutische Behandlung zur Verfügung zu stellen. Aber auch die Mitglieder des ENT Brandenburg können diese Vermittlung herstellen. Die Behandlung wird, wie bei körperlichen Arbeitsunfällen auch, vom Unfallversicherungsträger (hier der FUK Brandenburg) oder dem Durchgangsarzt eingeleitet.